Dossier
„… Regelmäßig behauptet die Bundesregierung, keine Kriegswaffenexporte in die Türkei mehr zu genehmigen. Die Bundesregierung stufte Antworten zu den genauen Zahlen der Waffenexporte in die Türkei „zum Schutz von Betriebs und Geschäftsgeheimnissen“ als „Verschlusssache“ ein und versuchte, sie so der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Nun ist das geheime Dokument dennoch an die Öffentlichkeit gelangt und offenbart die realen Zahlen der Waffenexporte an das Erdoğan-Regime. In dem dpa vorliegenden Papier des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es, dass die Türkei im Jahr 2019 Kriegswaffen aus Deutschland im Wert von 344,6 Millionen Euro erhalten habe, was mehr als ein Drittel des gesamten deutschen Kriegswaffenexportvolumens ausmacht. Die Türkei ist damit zwei Jahre infolge auf dem ersten Platz der Empfängerländer von Kriegswaffen aus Deutschland. (…) Dies alles geschah, während die Türkei Efrîn völkerrechtswidrig besetzte und auch in Serêkaniyê (Ras al Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) einmarschierte. (…) Aber wie seine Aussage zeigt, ließ Maas eine Hintertür für die Waffenindustrie offen, die daraufhin reichlich genutzt wurde: Es solle nur um Rüstungsgüter gehen, die in Syrien einsetzbar sind. In dem Dokument heißt es daher, es handele sich ausschließlich um „Ware aus dem maritimen Bereich“. Das bedeutet Erdoğans Marine wird massiv hochgerüstet. Dass die Hochrüstung der türkischen Marine Erdoğans neoosmanischen Imperialismus im Mittelmeer stützt und das Potential hat, einen Flächenbrand im Mittelmeerraum zu entzünden, scheint hinter Geschäftsinteressen zurückzustehen...“ – aus dem Bericht „Über ein Drittel deutscher Kriegswaffen geht an die Türkei“ am 23. Juni 2020 bei der ANF
zur erneuten Steigerung der Ausrüstung des Waffenbruders. Siehe dazu u.a. einen weiteren aktuellen Beitrag zur Ausrüstung des Erdogan-Regimes durch die BRD – und einen Beitrag zur entsprechenden „Landschaftspflege“ deutscher Medien:
- Trotz des Einmarsches in Syrien: Bundesregierung genehmigt umfangreiche Rüstungsexporte in die Türkei
“Seit die türkische Armee in Nordsyrien einmarschiert ist, lässt die Bundesregierung keine neuen Lieferungen von Kriegswaffen an die Türkei mehr zu. Die Rüstungsexporte florieren dennoch. Nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien im vergangenen Herbst hat die Bundesregierung einen teilweisen Rüstungsexportstopp verhängt – das Ausfuhrvolumen hat sich dadurch aber nicht verringert. In den neuneinhalb Monaten vom Start der Offensive am 9. Oktober 2019 bis zum 22. Juli 2020 genehmigte die Bundesregierung Lieferungen im Wert von 25,9 Millionen Euro. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linkenpolitikerin Sevim Dagdelen hervor (…) Rüstungslieferungen in die Türkei sind aber nicht nur wegen der Syrienoffensive, sondern auch wegen der türkischen Beteiligung am Libyenkonflikt umstritten. Die Türkei zählt nach Angaben der Vereinten Nationen zu den Ländern, die sich weiterhin nicht an das Waffenembargo für das Bürgerkriegsland halten – obwohl sie sich beim Berliner Libyengipfel im Januar dazu verpflichtet haben. Auch die Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland wegen türkischer Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer haben international Sorge ausgelöst…” Agenturmeldung vom 03.08.2020 beim Spiegel online, siehe dazu:
- Sevim Dagdelen: Kriegswaffenexporte boomen
- Waffenlieferungen: Deutschlands Rüstungsexporte in die Türkei bleiben stabil
“Seit dem Einmarsch türkischer Truppen in Syrien gilt ein teilweiser Rüstungsexportstopp. Trotzdem genehmigte die Bundesregierung zuletzt Lieferungen in Millionenhöhe. Die Bundesregierung hat nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien Rüstungslieferungen an den Nato-Partner in zweistelliger Millionenhöhe genehmigt. In den neuneinhalb Monaten seit dem Start der Offensive am 9. Oktober 2019 bis zum 22. Juli 2020 gab es Genehmigungen für Lieferungen im Wert von 25,9 Millionen Euro. Darunter waren aber keine Kriegswaffen. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linke-Politikerin Sevim Dağdelen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die türkischen Truppen waren in Nordsyrien einmarschiert, um dort die von der Regierung in Ankara als Terrororganisation angesehene Kurdenmiliz YPG zu bekämpfen. Die Bundesregierung hatte daraufhin einen teilweisen Rüstungsexportstopp gegen den Nato-Partner verhängt, der allerdings nur für Waffen und andere militärische Geräte gilt, die in Syrien eingesetzt werden können. Die Bundesregierung hat die türkische Militäroperation als völkerrechtswidrig eingestuft. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete sie im Oktober in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag als “humanitäres Drama mit großen geopolitischen Folgen” und kündigte deswegen den teilweisen Exportstopp an. Rüstungslieferungen in die Türkei sind aber nicht nur wegen der Syrien-Offensive, sondern auch wegen der türkischen Beteiligung am Libyen-Konflikt umstritten. Die Türkei zählt nach Angaben der Vereinten Nationen zu den Ländern, die sich weiterhin nicht an das Waffenembargo für das Bürgerkriegsland halten — obwohl sie sich beim Berliner Libyen-Gipfel im Januar dazu verpflichtet haben. Sorge bereiten zudem die Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland wegen türkischer Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer…” Meldung vom 3. August 2020 in der Zeit online
- Sevim Dagdelen: Kriegswaffenexporte boomen
- „Berlin befördert Admiral Erdogan“ von Philip Malzahn am 23. Juni 2020 in neues deutschland online
kommentiert zur Steigerung der Waffenexporte an Erdogan: „… Es ist ganz egal, wie sehr der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Frieden auch in Europa aufs Spiel setzt. Die Bundesrepublik steht offensichtlich allseits bereit, den Kriegstreiber mit Waffen zu versorgen, denn zum zweiten Mal in Folge ist die Türkei größter Empfänger deutscher Waffen. Doch die Ausrede, es handle sich bei den 2019 verkauften »Waren« überwiegend um den »Maritimen Bereich«, ist fadenscheinig. Denn nach Libyen und Syrien droht Ankaras nächster Feldzug auf dem Mittelmeer, gegen EU-Mitglieder – für die dortigen Erdgasvorkommen riskiert er derzeit eine Eskalation mit mindestens Griechenland und Zypern. Auch seine Intervention in Libyen dient dem Erdgasstreit. Als Gegenleistung für militärische Hilfe nach Tripolis zwang man der Regierung ein Abkommen zur Festlegung einer gemeinsamen Seegrenze ab. Dieses gibt Erdoğan eine Ausrede, Schiffe, Waffen und Soldaten – trotz Embargo – übers Mittelmeer zu transportieren...“
- „Erdogan‘sche Propaganda in deutscher Berichterstattung“ am 22. Juni 2020 bei der ANF
zur bundesdeutschen medialen Anbahnung solcher schäbiger Deals unter anderem: „… Die Schlagzeilen werden zunächst beherrscht von der Sorge um deutsche Touristen. Alles rankt sich um die Frage: Wird trotz Pandemie ein Billigurlaub in Antalya möglich sein? Während sich die türkische Tourismusindustrie aufrüstet mit Zertifikaten (ausgestellt übrigens vom deutschen TÜV-Süd), steigen die Infektionszahlen – selbst jene, die öffentlich zugänglich sind. Dennoch sind sich deutsche Korrespondent*innen einig, dass Urlaub mit Abstandsregeln durchaus möglich ist. Man will ja den „gastfreundlichen Menschen in der Türkei“ nur helfen, die schließlich auf Devisen angewiesen sind. Dass damit die Kriegskasse des Herrn Erdogan gefüllt wird, der gerade seine Nachbarn bombardiert, muss keinen Urlauber interessieren. Karin Senz vom ARD-Studio Istanbul wirbt für einen „exklusiven Urlaub – mit Maske“ mit freier Liegenauswahl am Pool und zitiert einen Urlauber „Man kommt sich vor, wie in einem Film, weil man quasi alles für sich alleine hat.“ Falls es doch zu Infektionen mit Covid-19 kommen sollte, soll die neue Krankenversicherung von Tourismusminister Mehmet Ersoy beruhigen, die – natürlich nur – den Touristen angeboten wird. Mit dem Beitrag von ARD-Kollegin Marion Sendker findet es die „Tagesschau“ doch noch richtig, auf die jüngste Luft- und Bodeninvasion der türkischen Armee einzugehen und versucht zu erklären, „Warum Ankara gerade jetzt die PKK bekämpft“. Allein dieser Titel steckt voller Implikationen. Die als „Militäroperation“ beschriebene Aggression im Nordirak gelte „der als Terrororganisation gelisteten kurdischen PKK“. Damit wird gleich im ersten Abschnitt das gewünschte Framing hergestellt. Zur nachgeschobenen Rechtfertigung zitiert man A‑Haber mit der bekannten AKP-Propaganda: „Die Türkei verteidigt … im Irak ihre nationale Sicherheit“. Also scheint das Bombardement irgendwie schon richtig zu sein. Dass die Bomben auf das unter dem Schutz der Vereinten Nationen (UN) stehende Flüchtlingslager Mexmûr, das ezidische Siedlungsgebiet in Şengal und die Medya-Verteidigungsgebiete fielen, dass damit das einzige Krankenhaus getroffen und zerstört wurde, dass der türkische Staat immer mehr Gebiete seiner Nachbarländer annektiert, das sind Details, die dem Leser deutscher Nachrichten besser erspart bleiben sollen...“
Der Beitrag Immer mehr deutsche Waffen für Erdogan – und wie das (von den Medien) gerechtfertigt wird… erschien zuerst auf LabourNet Germany.