1. Wasserstoff als ökologische Innovation
Im
Juni 2020 verkündete die Bundesregierung ihre „Nationale Wasserstoffstrategie“
gegenüber der breiten Öffentlichkeit. Federführend bei der Erstellung war das
Wirtschaftsministerium. Bei Wasserstofftechnologien soll Deutschland „die
Nummer eins in der Welt“ werden, tönte Bundeswirtschaftsminister Peter
Altmaier. Und weiter erklärte er, dies sei die größte Innovation im Bereich
Klimaschutz und Energiewende seit der Einführung des erneuerbaren
Energiegesetzes (EEG).
Können wir dafür überhaupt solche großen Mengen an erneuerbarer Energie bereitstellen?
„Grüner“
Wasserstoff wird erzeugt durch die Zerlegung von Wasser in Sauerstoff und
Wasserstoff mit Hilfe von elektrischem Strom, der sog. Elektrolyse. Dabei wird ausschließlich Strom aus erneuerbaren
Energien verwendet. Mit grünem Wasserstoff könnten wichtige Teile der Industrie
CO2-neutral
gemacht werden. So die Hochöfen der Stahlindustrie, wo in Zukunft für die
Reduzierung des Eisenerzes Wasserstoff statt Kokskohle eingesetzt werden
könnte. Oder Teile der chemischen Grundstoffindustrie könnten bei der Methanol-
und der Ammoniakproduktion CO2-frei
werden. Und schwere Lastwagen, Baufahrzeuge oder Traktoren könnten mit
Brennstoffzellen betrieben werden, die Wasserstoff als Energieträger nutzen.
Aus Wasserstoff könnte auch synthetisches Kerosin oder andere Treibstoffe
hergestellt werden, so dass auch Flugzeuge und Schiffe CO2-neutral angetrieben werden könnten.
Und nicht zuletzt eignet sich Wasserstoff zur jahreszeitlichen
Zwischenspeicherung von überschüssigem Wind- und Solarstrom. In Zeiten einer
Windflaute bei gleichzeitig schwacher Solareinstrahlung könnte der gespeicherte
Wasserstoff wieder verstromt werden und so die Energieversorgung sichern.
2.
Wasserstoff – eine ökologische Wunderwaffe?
Viele
Medien haben die Initiative der Bundesregierung positiv aufgenommen. In einem
Kommentar der Süddeutschen Zeitung ist die Begeisterung zu greifen. Wasserstoff
sei im Kampf gegen den Klimawandel eine „potenzielle Wunderwaffe“. Und: „Sie
hat das Zeug zu einem sauberen Exportknüller.“ [Bau20].
Ist
Wasserstoff tatsächlich eine „Wunderwaffe“ im Kampf gegen die Klimakatastrophe?
Bevor man diese Frage beantwortet, sollte man zunächst einen Blick auf das
energetische Mengengerüst werfen. Im Jahr 2019 lag der Endstromverbrauch in
Deutschland bei 516 TWh. Davon wurden 46 % oder 236 TWh mit
Hilfe von Erneuerbaren Energien erzeugt. Die Photovoltaik erreichte einen
Anteil von 9 % und die Windkraft einen Anteil von 24,6 % [ISE20]. Der
Biomasseanteil hatte allerdings mit 8,6 % schon die Grenze zur
Nachhaltigkeit erreicht. Der Ausbau der Wind- und Solarenergie ist aber ein
schöner Erfolg. Allerdings nur auf den ersten Blick. Er wird schnell
relativiert, wenn man bedenkt, dass der gesamte Endenergieverbrauch in
Deutschland seit Jahren bei rund 2500 TWh liegt. Er umfasst nicht nur die
Kohle für die Stromerzeugung, sondern auch die Energie, die in Kohle, Öl und
Gas für die Industrie, den Verkehr, das Gewerbe und die Haushalte gespeichert
ist. Wenn dieser gewaltige Energieverbrauch mit erneuerbarem Strom eins zu eins
ersetzt werden soll, müssten die Windkraft- und die Solaranlagen in Deutschland
mindestens um den Faktor 10 ausgebaut werden. Das ist aber noch nicht alles:
Die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse ist mit rund 30 %
Energieverlusten verbunden. Dazu kommt ein weiteres spezifisches Problem: Um
Wasserstoff transportieren zu können, muss er entweder unter hohem Druck
verflüssigt werden oder er muss vorübergehend an bestimmte Kohlenwasserstoffe
angedockt werden (sog. LOHC-Technik[i]). Bei
beiden Verfahren muss ebenfalls von rund 30 % Verlusten ausgegangen
werden. Rechnet man beides zusammen, also Herstellung und Transport, dann ist
die Wasserstofftechnologie mit einem Energieverlust von 50 % verbunden.
Wenn man also eine Wasserstoffmenge mit einem Energieinhalt von beispielsweise
500 TWh herstellen will, braucht man dazu einen Strom-Input von rund
1000 TWh. Gewaltige Verluste, die zuerst mal mit erneuerbarer Energie
erzeugt werden wollen.
Wie
bereits darauf hingewiesen, ist der Wasserstoffbedarf hoch. Nicht nur Prozesse
in der Chemieindustrie und bei der Stahlerzeugung benötigen Wasserstoff. Auch
schwere LKWs auf langen Strecken, Baufahrzeuge oder landwirtschaftliche Geräte
sollten sinnvollerweise mit Wasserstoff betrieben werden. Das gilt sogar noch
mehr für Flugzeuge oder Schiffe. Und in unserer kapitalistischen Gesellschaft
haben die Schwerttransporte, die Schiffslogistik und die Flugreisen immer mehr
zugenommen. Die Frage stellt sich: Können wir dafür überhaupt solche großen
Mengen an erneuerbarer Energie bereitstellen?
3.
Eine gewaltige Energielücke tut sich auf
Werfen
wir zur Beantwortung dieser Frage zunächst einen Blick auf das deutsche
Potenzial an erneuerbaren Energien. Das Ökoinstitut geht in einer Berechnung
aus 2019 davon aus, dass hierzulande mit Wind- und Solarenergie etwas über
700 TWh Strom erzeugt werden können. Dazu käme noch ein kleiner Anteil an
Wärmeenergie, die gewonnen werden könnte. Wenn man diese Werte mit der heute
verbrauchten Energiemenge von 2500 TWh vergleicht, wird eine gewaltige
Lücke sichtbar. Es gibt allerdings zahlreiche Rechnungen von verschiedenen
Instituten, die davon ausgehen, dass der Energieverbrauch bis 2050 deutlich
abgesenkt werden könnte. So gibt es ein Klimaschutzszenario des Fraunhofer ISI
und des Öko-Instituts aus dem Jahr 2015, bei dem in 2050 nur noch rund
1700 TWh an Primärenergie benötigen werden [Öko15]. Die Begründung:
Einsparungen durch die Verwendung von Elektroautos statt Verbrennern und von
Wärmepumpen statt Öl- und Gasheizungen. Und dazu eine deutlich verbesserte
Hausisolation und allerlei Effizienzeffekte. Zu einem Teil mag die Rechnung
realistisch sein (E‑Autos und Wärmepumpen). Aber viele Rechnungen sind
unübersichtlich und es drängt sich einem der Eindruck auf, dass hier
schöngerechnet wird, ohne die Auswirkungen der realen kapitalistischen
Wirtschaft zu berücksichtigen. So werden viele Effizienzgewinne im
Konsumgüterbereich (Fernseher, Kühlschränke, Verbrauch von Fahrzeugen etc.) von
den Konzernen immer wieder hintertrieben. Beispielweise sank der spezifische
Treibstoffverbrauch von Autos durch eine verbesserte Technik. Aber gleichzeitig
wurden die Karossen in den letzten Jahren immer größer und PS-stärker. Auch in
den Haushalten ist die Zahl der elektrischen Geräte immer mehr gewachsen und
sie erhielten zusätzliche energieintensive Sonderfunktionen. Und bei der
Hausisolation und der Förderung von Wärmepumpen fährt die Bundesregierung mit
angezogener Handbremse. Einen Eindruck von der tristen Wirklichkeit der
versprochenen Effizienzgewinne liefert ein Blick auf den deutschen
Energieverbrauch. Da konnte in den letzten 10 Jahren nur noch eine geringe
Reduktion festgestellt werden.
4.
Riesige Wasserstoffmengen importieren – welche Grenzen?
Aber
wird nicht immer wieder gesagt, dass allein die Sonnenenergie, die auf die
Sahara fällt, bei einer Abdeckung mit Solaranlagen die 7000-fache
Verbrauchsmenge ganz Europas ausmacht? Altmaiers Papier zur „Nationalen
Wasserstoffstrategie“ knüpft an dieser gerne geäußerten Vorstellung an. Über
80 % des benötigten Wasserstoffs soll importiert werden. Vor allem aus
Nordafrika und aus der EU. Auch die
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek unterstützt diese Position. Sie
erklärte: „Wir können die Energie, die wir künftig in Europa brauchen, nicht
vollständig selbst erzeugen. Deutschland wird auf jeden Fall ein großer
Importeur von Energie bleiben.“ [Was19]. Sie denkt dabei an eine Kooperation
mit süd- und westafrikanischen Staaten oder auch Australien. Der deutsche
Entwicklungsminister Peter Müller, orientiert mehr auf erneuerbar hergestellten
Wasserstoff aus Marokko [Was19]. Im Juni unterzeichnete er mit
Regierungsvertretern des nordafrikanischen Landes bereits eine
Kooperationsvereinbarung zum Thema Wasserstoff.
Was bleibt ist eine deutliche Reduzierung des Verbrauchs.
Aber
selbst wenn in Marokko oder Tunesien große Solaranlagen in der Sahara aufgebaut
werden sollten, es bleibt die Schwierigkeit des Energietransports. Im Papier
der „Nationalen Wasserstoffinitiative“ wird über einen Flüssiggastransport
gesprochen. Doch es müssten riesige Mengen
Wasserstoff importiert werden, die zuvor aus erneuerbarem Strom hergestellt
werden müssten. Die dafür erforderliche Elektrolyse hat einen schlechten
Wirkungsgrad von etwa 70 %. Dazu müsste der Wasserstoff noch verflüssigt
werden, bei –240° C und einem extrem hohen Druck [Wik20]. Bei der Verflüssigung
von Wasserstoff würden dann weitere 30 % seines Energieinhaltes verloren
gehen [Bos10]. Dazu kommen noch weitere Verluste beim Umfüllen und beim
Transport von etwa 3 % pro Transporttag (Boil-Off-Verluste).
Geringere Verluste würde man erhalten, wenn man Wasserstoff vor
Ort zunächst in Methan umwandeln und dann transportieren würde. Aber auch das
ist kein Königsweg, denn die Gesamtverluste lägen dann bei 56 %.[ii]
Die
Desertec-Initiative[iii]
propagierte einen Transport des erneuerbaren Stroms aus Nordafrika nach
Deutschland mittels Hochspannungsgleichstrom-Übertragung (HGÜ). Damit sollten
rund von 15 % des europäischen Stromverbrauchs aus Marokko oder Tunesien
nach Europa importiert werden. Auf Deutschlands Stromverbrauch bezogen wäre das
eine Größenordnung von etwas über 100 TWh. Aber auch damit käme man selbst
bei einer sehr großzügigen Rechnung zusammen mit dem heimischen Wind- und
Photovoltaik-Strom sowie direkter Solarwärme bestenfalls auf etwas über
1000 TWh.[iv]
Das bedeutet, dass die gewaltigen Energiemengen, die heute in Deutschland
verbraucht werden, mit einer nachhaltigen Herstellung absolut jenseits des
Erreichbaren liegen. Was bleibt ist eine deutliche Reduzierung des Verbrauchs.
Das bedeutet, dass im Land industriell abgerüstet werden muss, dass aber
gleichzeitig die erneuerbaren Energien massiv auszubauen sind. Mindestens auf
700 bis 800 TWh. Auf die deutsche Regierung kann man dabei nicht setzen.
Sie sollte eigentlich seit 30 Jahren wissen, dass zur Vermeidung der
Klimakatastrophe die Energieversorgung und der Energieverbrauch des Landes
komplett umstrukturiert werden müssten. Aber sie hat keine Antworten und schiebt
alle Probleme vor sich her.
5. Konkurrenzfähigkeit wichtiger als Klimaschutz?
Ein weiteres Problem ist, dass in der kapitalistischen Ökonomie
auf absehbare Zeit fossile Energieträger deutlich billiger sind, als grüner
Wasserstoff. Konzerne werden daher weiter auf fossile Energieträger setzen. Ein
Beispiel ist die Stahlindustrie: Thyssenkrupp oder die Salzgitter AG könnten
ihre Stahlherstellung mit Hilfe von Wasserstoff statt mit Koks zwar relativ
einfach dekarbonisieren. Aber die Unternehmen verlangen für die Umstellung
großzügige Staatshilfen. Sprich: Die Steuerzahler sollen alles bezahlen und die
Konzerne fühlen sich nur für die Profite zuständig. Da wäre es gleich
sinnvoller, die Stahlindustrie zu vergesellschaften und die Produktion
klimaneutral umzubauen. Auch die Arbeitsplätze könnten dann gesichert werden,
indem die vorhandene Arbeit auf alle Hände verteilt wird.
6. Klimaschutz erreichen: Eine einfache Wahrheit
Fassen wir zusammen: Der Einsatz von Wasserstoff ist sinnvoll, um wichtige Bereiche der Industrie (Stahl, Chemie) zu dekarbonisieren. Als Speichertechnologie könnte damit auch die Stromproduktion in wind- und sonnenarmen Jahreszeiten gesichert werden. Aber die herstellbare und importierbare Wasserstoffmenge wird nicht ausreichen, um den heutigen deutschen Energieverbrauch eins zu eins zu ersetzen. Die nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung lässt diese Problematik geflissentlich unter den Tisch fallen. Statt reale Möglichkeiten zu nutzen, setzt sie auf unerfüllbare technologische Phantastereien.
Die einfache Wahrheit lautet dagegen: Klimaneutralität kann nur durchgesetzt werden, wenn parallel zur Einführung von Klimaschutzmaßnahmen der Kapitalismus überwunden wird.
Realistisch wäre es, klar zu sagen, dass der deutsche Energieverbrauch drastisch eingeschränkt werden muss. Z. B. durch eine Umstellung des Autoindividualverkehrs auf den ÖPNV oder durch die Abkehr von kurzlebigen, nicht reparierbaren Konsumgütern. Dazu: Weniger Bauen, weniger Beton und dafür mehr Holzbau. Auch der Verpackungswahn mit Plastik und Papier muss drastisch reduziert werden. Warum die Bundesregierung dies nicht will dürfte klar sein: Diese Maßnahmen würden in der Folge zu einem deutlichen Absinken der industriellen Produktion führen. Der Kapitalismus funktioniert aber nur mit Wachstum. Schon bei einer konstanten Produktionsmenge kommt sein Wirtschaftsmotor ins Stottern. Das gilt umso mehr bei einem massiven Rückbau. Da die Bundesregierung das weiß und sie gleichzeitig ihren Freunden in den Vorstandstagen von Banken und Konzernen verpflichtet ist, ist von ihr kein ernsthafter Klimaschutz zu erwarten. Stattdessen schwadroniert sie über eine „nationale Wasserstoffstrategie“ als einem Allheilmittel. Die einfache Wahrheit lautet dagegen: Klimaneutralität kann nur durchgesetzt werden, wenn parallel zur Einführung von Klimaschutzmaßnahmen der Kapitalismus überwunden wird.
[i] Als
flüssige Wasserstoffträger eignen sich sog. LOHC (Liquid organic hydrogen
carriers). Daran wird Wasserstoff (H2) vorübergehend chemisch gebunden. Eine mögliche
Substanz ist der Kohlenwasserstoff Dibenzyltoluol. An diese Substanz dockt
Wasserstoff an und kann so bei normalem Umgebungsdruck (1 bar) und
Normaltemperatur (T=20 °C) gelagert werden. Der so gespeicherte
Wasserstoff ist nicht flüchtig und es findet auch keine Selbstentladung statt.
Das LOHC kann beliebig oft mit Wasserstoff be- und entladen werden. Bei der
H2-Beladung des LOHC mit Wasserstoff wird Wärme freigesetzt, die abgeführt
werden muss. Bei der Rückgewinnung des Wasserstoffs muss wieder Wärme
hinzugefügt werden. Die Temperatur liegt zwischen 250 und 300 °C. Ein
Liter LOHC kann in Form von H2 eine Kilowattstunde elektrischer und eine
Kilowattstunde thermischer Energie speichern [LOH20]. Der Wirkungsgrad des
Verfahrens wird mit 69,17 % angegeben [Wan16].
[ii] Der
erneuerbare Strom müsste zunächst in einem Elektrolyseverfahren in Wasserstoff
umgewandelt werden. Das Gas müsste danach für den Transport in Schiffstanks
noch verflüssigt werden. Da Wasserstoff dafür ungeeignet ist, müsste er mit
Hilfe von Kohlendioxid in Methan umgewandelt werden. Erst danach kämen die
Verflüssigung und der Schiffstransport. In Deutschland erfolgte dann wieder
eine Regasifizierung. Der gesamte Prozess ist mit erheblichen Verlusten
belastet. Das Umweltbundesamt hat eine Studie [UBA17] für den Transport von
Flüssiggas (Liquified natural gas – LNG) aus Nordafrika nach Nordeuropa
erstellt, die genau diese Ergebnisse liefert. Danach liegt der Wirkungsgrad der
Elektrolyse bei 72 %, die Methansynthese bei 80 % und der
LNG-Transport inklusive Verflüssigung liegt bei 77 %. Zusammen wäre das
ein Wirkungsgrad von extrem geringen 44 %. Das bedeutet umgekehrt
energetische Verluste von 56 %. Das hat zur Folge, dass man für
500 TWh erneuerbares Import-LNG im Herkunftsland zunächst 1136 TWh
erneuerbaren Strom herstellen müsste. Damit wäre noch nicht einmal geklärt,
woher man das CO2
für die Methanisierung des Wasserstoffs nimmt.
[iii] Die
ursprüngliche Idee von Desertec bestand darin, bis 2050 rund 15 % des in
Europa verwendeten Stroms aus der Sahara zu beziehen [Des09]. Das sollte im
Wesentlichen mit thermischen Solarkraftwerken (CSP-Concentrated Solar Power)
gelingen. Dafür gründete sich eine Desertec-Stiftung, die diese Idee
popularisieren wollte. Daneben entstand eine Desertec-Industrie-Initiative
(DII), die sich Gewinne aus Wüstenstrom versprach. Als Photovoltaik-Anlagen
wesentlich preisgünstiger als CSP-Kraftwerke wurden, war die bisherige Planung
hinfällig. Die DII löste sich angesichts der vorhandenen Probleme und der
voraussichtlichen Kosten auf.
[iv] Dazu
eine hypothetische Rechnung: Sicherlich könnte man mittels
Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) Solar- und Windstrom aus Nordafrika
nach Deutschland übertragen. Marokko würde sich als politisch eher stabiles
Land anbieten. HGÜ ist heute Stand der Technik und die Übertragungsverluste wären
sehr gering. Die Kosten pro Kilometer HGÜ-Freileitung können mit 983 Euro pro
MW und Kilometer angenommen werden [FFE14]. Dazu kommen noch die
Wandlungskosten von Wechselstrom in Gleichstrom und umgekehrt an den beiden
Leitungsenden von insgesamt 240 000 € pro MW. Bei einer Landstrecke
von 3300 km beispielsweise zwischen Agadir (Marokko) und Frankfurt/M. wären das
für 10 GW rund 35 Milliarden Euro Kosten. Damit könnten bei angenommenen
8000 Stunden Stromübertragung pro Jahr 80 TWh erneuerbarer Strom nach
Deutschland geliefert werden. Deutschland bräuchte aber mindestens
1500 TWh Strom aus Nordafrika. Nur dann würde sich die Deckungslücke
zwischen dem heute wahnwitzig hohen deutschen Energieverbrauch und den
Möglichkeiten der eigenen Ökostromerzeugung schließen. Die HGÜ-Kosten wären
dann mit 656 Mrd. Euro keine Petitesse mehr. Und noch eine kleine Zahl:
Marokko hat heute mit seinen rund 36 Millionen Einwohnern einen Stromverbrauch
von 29 TWh. Woher also diese riesige erneuerbare Strommenge so schnell
nehmen? Übrigens: Auch die anderen europäischen Industrieländer bräuchten ja
nach der Importlogik nordafrikanischen Strom …