Dossier
„… Die Krise am Wohnungsmarkt ist das Ergebnis langfristiger Fehlsteuerungen – von der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit, der faktischen Beendigung der Wohnungsbauförderung bis hin zum massenhaften Ausverkauf öffentlicher Wohnungsbestände. Ein Mietendeckel verschafft der Politik die Zeit, die jetzt für einen Kurswechsel zu einer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik genutzt werden muss. Die Enteignung von privatem Wohneigentum ist dabei letztlich nicht zielführend. Sie ändert am fehlenden Wohnungsangebot nichts. Die mit einer Enteignung verbundenen Entschädigungszahlungen würden Finanzinvestoren mit Mitteln für neue Spekulation ausstatten. Nur durch ein angemessenes Wohnungsangebot kann der Druck im Markt dauerhaft vermindert werden. Politische Entscheidungen sind gefragt. Die Kernforderung der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik ist daher ein kommunales Wohnungsbauprogramm im Umfang von 100.000 Wohnungen pro Jahr. Notwendig ist hierfür ein öffentliches Investitionsvolumen von 18 Mrd. Euro. Davon sind 40 Prozent – etwa 7 Mrd. Euro – als Bundeszuschuss aufzubringen. Die verbleibenden 60 Prozent können durch Kreditaufnahme der kommunalen Wohnungsgesellschaft finanziert werden, denn die öffentliche Hand muss weder hohe Zinsen zahlen noch hohe Renditen erzielen. Zudem kann serieller Wohnungsbau die Baukosten deutlich senken. So soll ein neuer Grundstock an öffentlichem Wohneigentum aufgebaut werden…“ – aus der Pressemitteilung „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik legt Sondermemorandum „Gutes Wohnen für alle“ vor“ vom 25. August 2019
auf ihrer Webseite. Siehe dazu auch eine aktuelle Bilanz des sozialen Wohnungsbaus – was nötig wäre. Und: Was geschieht:
- Unten wird es immer voller und die Luft immer dünner: Das Trauerspiel mit den (fehlenden) Sozialwohnungen
“Auf „dem“ Wohnungsmarkt (den es als solchen nicht gibt, der Plural wäre hier angebrachter) gibt es seit Jahren ein enormes und weiter wachsendes Angebots-Nachfrage-Dilemma in Form eines massiven Angebotsdefizits im Bereich der halbwegs bezahlbaren Mietwohnungen. Die Problemdiagnose ist vielfach niedergeschrieben worden und sollte bekannt sein. (…) Angesichts der Ausmaße und der sich weiter spreizenden Angebots-Nachfrage-Schere im Bereich der bezahlbaren oder gar günstigen Mietwohnungen muss ein fundamentaler Lösungsansatz auf der Angebotsseite ansetzen – doch da tut sich offensichtlich seit Jahren viel zu wenig (genauer: im großen Segment der bezahlbaren Wohnungen, im Premium- und Luxussegment sieht das vielerorts ganz anders aus, dort sind wir aufgrund der unzähligen betriebswirtschaftlich dominierten Einzelentscheidungen von Investoren mit einem Überangebot konfrontiert). Wenn dann gleichzeitig auf der Nachfrageseite immer mehr nicht gedeckter und auch nicht zu deckender Bedarf entsteht aufgrund der Polarisierung der Einkommensverhältnisse aufgrund einer Zunahme der Menschen, die von der Lohnentwicklung im mittleren und höheren Einkommensbereich abgeschnitten sind, dann wird der ebenfalls seit Jahren immer wieder behauptete „soziale Sprengstoff“, der der nicht überall, aber in vielen Städten und Großstädten offensichtlich zunehmenden Wohnungsnot zugeschrieben wird, neben den zahlreichen individuellen Notlagen und Katastrophen, die tagtäglich ablaufen, an Sprengkraft gewinnen. Und das in einem Feld, in dem es keine einfachen Lösungen gibt und geben kann (…). Aber man sollte wenigstens und erkennbar mutiger einige seit langem diskutierten Teillösungen angehen.” Beitrag von Stefan Sell vom 23. August 2020 auf seiner Homepage- Siehe auch: Pestel Institut (2020): Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland. Untersuchung im Auftrag der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
Hannover, August 2020
- Siehe auch: Pestel Institut (2020): Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland. Untersuchung im Auftrag der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
- „Sozialwohnungen: “Die Lage ist dramatisch”“ von Thomas Pany am 22. August 2019 bei telepolis
hebt unter anderem hervor: „… Die Verbände, die dem Bündnis “Soziales Wohnen” angehören und das Institut mit der Analyse beauftragt haben – dazu gehören der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft IG BAU, der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und die Caritas – fordern “den Bau von zwei Millionen Sozialwohnungen bis 2030. Um dies zu erreichen, sagen sie, müsse der Staat seine Förderung auf 6,3 Milliarden Euro im Jahr deutlich erhöhen”, wie es die Zeit berichtet. Jedes Jahr bis 2030 müssten 155.000 neue Sozialwohnungen geschaffen werden, präzisiert die Tagesschau: “80.000 durch Neubau und 75.000 durch Modernisierungsförderung und den Ankauf von Belegrechten im Bestand”, wie aus der – nicht-veröffentlichten – Studie hervorgehe. Es zeigt sich damit eine Kluft zwischen dem Ziel und dem bisher Erreichten: Der Studie zufolge wurden zuletzt nämlich gerade mal 27.000 Mietsozialwohnungen neu gebaut. Nur 20.000 weitere Wohnungen wurden durch die Modernisierungsförderung gewonnen. Das sind bescheidene Zahlen. Auch hier stellt sich die Frage, warum so wenig Sozialwohnungen gebaut werden – sitzen doch die Sozialdemokraten seit sechs Jahren in der Regierung – und woher die Zuversicht kommt, dass die Forderung nicht einfach so in den Wind geblasen wird. Betont wird in den Berichten der Schwund, die Wohnungen, die “nach 20 oder 30 Jahren aus der Preisbindung rausfallen und in den freien Markt gehen” (Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten). Jährlich sind das 74.000 Wohnungen, die aus der Sozialbindung fallen, hat das Pestel-Institut laut Tagesschau ermittelt, mit deren Mietenpreisen es beim derzeitigen Wohnungsmarkt “schnell aufwärts geht” (Lukas Siebenkotten). Seit 2011 ist rund eine halbe Million mehr Wohnungen aus dem Sozialwohnungsbestand gefallen, als dass neue geschaffen wurden…“
- Siehe auch:
- Andrej Holm, Sabine Horlitz und Inga Jensen (2017): Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Voraussetzungen, Modelle und erwartete Effekte
, Berlin 2017
- Michael Voigtländer (2016): Sieben gute Gründe gegen eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit (NWG)
. Eine Studie im Auftrag der LEG Immobilien AG und dem ZIA Deutschland, Köln: Institut der deutschen Wirtschaft, Juli 2016
- Wie man in einem Gutachten über „soziale Wohnungspolitik“ das Soziale wegdefiniert und ein existenzielles Gut auf einen „Markt“ zu werfen versucht
vom 29. August 2018
- Andrej Holm, Sabine Horlitz und Inga Jensen (2017): Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Voraussetzungen, Modelle und erwartete Effekte
Der Beitrag Gefordert wird: Öffentlicher Wohnungsbau als Weg zum „Guten Wohnen für Alle“. Realität ist das weitere „Entschwinden“ der Sozialwohnungen erschien zuerst auf LabourNet Germany.