Russlands Grenzen im Süden streifen Öllagerstätten des näheren Asien, um am Grenzfluss Ussuri im Ferneren Osten an China zu stoßen. Wer dort auftreten will, braucht asiatische Mittel – und asiatische Mittler. Die Priorität, die in der deutschen Geschichte Russland einnimmt, changiert hier asiatisch. Um China ergänzt, trifft beide Objekte der sachliche Zwang deutscher Weltpolitik: den Zugang zum Markt möglichst einschränkungslos erweitern zu können und im Falle der Abwehr Gewalt auszuüben – verdeckt oder offen.
Illegale Waffenexporte
Vor allem verdeckt operierte das „Reich“ in der Zwischenkriegszeit (1919–1939). An beiden Objekten deutscher Weltpolitik, Russland und China, versuchten Agenten ihre Untergrundarbeit parallel auszuüben. Dabei pendelten sie zwischen Moskau und Peking.
Beteiligt am Putsch der äußersten Rechten gegen demokratische Kräfte der Nachkriegsregierung im Weimarer Deutschland operierte Max Bauer – im Einklang mit Stellen des Staatsapparats. War er vormals Agent auf Generalstabsniveau mit geheimen Kontakten zu Rüstungsbetrieben (Sparten Gas & Geschütze), diente Max Bauer den Wirtschaftsfraktionen beim Waffenexport unter Umgehung des Rüstungsverbots nach verlorenem Krieg. Militärischen Stellen der Sowjetrepublik bot er erfolgreich deutsche Kriegsgüter an und empfahl sich bei Warlords in China. Sein Einsatz in Russland galt der Giftgaserprobung, gedeckt und mit Wissen der Berliner Regierung, war Völkerrechtsbruch mit tödlichen Folgen, aber machte ihn nützlich – als erfolgreichen Mittler auch jenseits von Moskau.
Der Giftgasagent reiste weiter nach China, wurde Berater der Kuomintang, des rechtesten Flügels in den Bürgerkriegswirren um Chinas staatliche Einheit. Aus Berlin ließ Max Bauer Offiziere anreisen, um die Bürgerkriegstruppen des Generals Tschiang Kai-shek in Taktik zu schulen – an deutschen Waffenexporten.
Bündnis von Dauer
Der Nutzen war mehrfach: Die Waffen aus Deutschland halfen dabei, China auf ewig als Kolonie zu behandeln, ein in inneren Kämpfen zerrissenes Land, und an den inneren Kämpfen sofort zu verdienen; die Kuomintang zahlte pünktlich, in Reichsmark und Dollar: an Rheinmetall, Junkers und Messerschmitt.
Die direkten Kontakte zwischen deutschen Putschisten extremer Couleur und den nationalistischen Stäben der Kuomintang des Generals Tschiang Kai-shek wurden vertieft. Tschiangs Sohn Wego absolvierte in München die NS-Kriegsakademie, rückte in Garmisch als Gebirgsjäger ein und nahm an dem Einmarsch in Österreich teil. Ein Foto zeigt ihn in Wehrmachtsgarderobe mit Hakenkreuzschmuck. Zwischen Berlin, seinen außenpolitischen Nazi-Agenten, und der Kuomintang entstand ein Bündnis von Dauer, ideell wie politisch.
Gedeckt vom Milieu der militärischen Helfer (Georg Wetzell, Hermann Kriebel) siedelten sich in den Kuomintang-Gebieten weitere deutsche Adressen an: Siemens, AEG, MIAG, Otto Wolff, Mercedes und I.G. Farben – I.G. Farben mit Interesse an einer Senfgasfabrik, um den verbotenen Kampfstoff in China zu lagern. Die Handelsbeziehungen folgten dem Muster, in dem sich seit jeher auch Russland verfing: technologische Suprematie (Maschinen) gegen Rohstoffreserven (Antimon, Wolfram).
Schutzmacht für Tibet
Als die Hitler-Regierung ihre Weltpolitik rassistisch verstärkte, fehlte im Osten ein ideelles Objekt, das die Wirtschaftsinteressen für die Heimat verklärte, für asiatische Partner annehmbar war und im Bündnis den Vorrang der germanischen Deutschen bestätigen konnte. Ein europäischer Mythos wurde wiederbelebt: Im mongolisch-chinesischen Himalaya-Hochland sei ein Urvolk zu Hause. Sein westliches Erbe erstarke in Deutschland – im arischen Blut der Nazi-SS. Mit enormem Erfolg zeigten die Kinos ein dokumentarisches Epos, das deutsche Rasseexperten beim Erkunden des Urvolks und dessen Körper ablichtet („Geheimnis Tibet“). Die tibetische Landschaft in der Nähe zum Himmel eignete sich, um den Gegenentwurf, das rassistisch Verfemte aus dem Abgrund der Hölle, mit Abscheu zu strafen.
Die Vita von Forschern, die im tibetischen Hochland Köpfe und Körper ethnologisch vermaßen (Bruno Beger) und danach auf der Flucht vor britischen Truppen zu bevorzugten Gästen des Gottkönigs wurden, des Dalai Lama, zeigt auf grausame Weise, wie das Rassekonstrukt die Dekonstruktion seines Schattens bedingt: Nach der Rückkehr aus Tibet ließ sich Beger in Auschwitz mit Probanden versorgen („Innerasiaten“), deren Köpfe vom Körper abgetrennt wurden, um als Anschauungsstücke für „Verrassung“ zu dienen.
Der rassistische Anteil deutscher Weltpolitik erschuf sich in China einen ethischen Auftrag – als Schutzmacht für Tibet. Je nach Entwicklung seiner Wirtschaftsinteressen war Deutschland bereit (und mit der Kuomintang erfahren genug), auch militärisch zu handeln, zumindest verdeckt, im Untergrundkrieg.
NS-Einsatzreserve
Für diese Option hatte Deutschland Reserven. In den STALAG, den Gefangenenlagern für Soldaten des Gegners, befanden sich Tausende „Vorderasiaten“ der sowjetischen Truppen: Kasachen, Kirgisen, Tadschiken. Hier vermaß Bruno Beger, aus Auschwitz zurück und mit Tibet-Erfahrung, auch muslimische Gruppen, die geeignet erschienen, im Untergrundkrieg von Nutzen zu sein. Sie kollaborierten bereits in SS-Divisionen (Turkmenen), andere gehörten zur Wlassow-Armee, einem antisowjetischen Hilfskontingent im Auftrag der Nazis. Die Einsatzreserve unterstand Reinhard Gehlen, Generalmajor im NS-Generalstab und dessen Nachrichtendienst gegen Russland und China (Fremde Heere Ost). Als das Kriegsende nahte, offerierte Gehlen den Siegern den Agentenbestand. Die USA griffen zu.
Treffpunkt München
Dort, wo Tschiang-Kai-sheks Sohn Wego in der Vorkriegszeit als Gebirgsjäger diente, in den Nazi-Kasernen bei Mittenwald, Garmisch und Sonthofen, konzentrierte die US-amerikanische Besatzungsarmee den osteuropäischen und vorderasiatischen Agentenbestand – unter der Leitung von Gehlen.
Umgeben von kriminellen Antisemiten und anderen Rassisten der NS-Ära (von Mende, Seraphim), finanziert mit Millionen der Central Intelligence Agency (CIA) sowie aus Kassen im westdeutschen Kanzleramt, zog Gehlen ein Netz deutscher und ausländischer Handlanger auf.
Um Agenten turkmenischer Herkunft und ihren Einsatz in Asien ging es in München („Geistliche Verwaltung der Muslimflüchtlinge“), wo der nach Gehlen benannte BND-Vorläufer (Org. Gehlen) seinen Hauptsitz bezog. Die Nähe zu dem in Mittenwald siedelnden Agentenbestand, darunter die von Beger betreuten „Innerasiaten“, machte München zum Treffpunkt westlicher Dienste im Untergrundkrieg gegen Russland wie China. Als die Planung für „Radio Free Europe“ begann, einen aggressiven CIA-Propagandabetrieb mit Antennen nach Asien, fiel die Ortswahl auf München.
Atombomben auf China
Auch die Kuomintang, die seit der Flucht Tschiang Kai-sheks vom chinesischen Festland auf die Insel Taiwan als „China“ firmierte (1949), verkehrte in München – über Kanäle, die zu Gehlen gehörten. Mit Gehlen als Mittler, ließ Tschiangs Sohn Wego, der Absolvent der Münchener NS-Kriegsakademie und inzwischen hoch dekorierter Tawan-Militär, Offiziere der Wehrmacht als Berater anwerben.
Die klandestine Verbindung wurde gefestigt, obwohl Tschiang Kai-sheks Truppen im Krieg um Korea bereits eingeplant waren: als Vorhut beim Einmarsch in China, sobald der Abwurf von Bomben der Hiroshima-Klasse, doch mit fast doppelter Stärke (Mark‑4), auf zivile Ziele der Volksrepublik beendet sein würde.
Bereitstellungsdatum: 6. April 1951. Erwartete Opfer: mehrere Millionen.
Der dritte Teil folgt.
Bitte beachten Sie unsere Video-Kolumne Krieg gegen China sowie Berlin: Im Untergrundkrieg gegen Russland und China (I). Kommentar von Hans-Rüdiger Minow.