Dossier
“… Angriffe von rechts auf Medienvertreter nehmen in Deutschland zu. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm erklärte nach Übergriffen auf Medienvertreter in Chemnitz und Köthen Mitte September, es gebe ein »erschreckendes Ausmaß an Hass« gegenüber Journalisten, Fotografen und Kameraleuten. »Reporter ohne Grenzen« rechnet damit, dass die Zahl gewalttätiger Angriffe 2018 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen ist. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit gab es bis Mitte September in diesem Jahr bereits 22 tätliche Übergriffe auf Journalisten. Tobias Wolf, Reporter der »Sächsischen Zeitung«, berichtet über die fremdenfeindliche »Pegida«-Bewegung seit ihren Anfängen 2015. Im August war er auch in Chemnitz vor Ort. Wolf wird dort mit Flaschen beworfen, das kennt er. »Da stellt sich eine gewisse Gewöhnung ein«, sagt der 40-Jährige. Doch er erlebt in Chemnitz auch, wie ein Kollege von einem unscheinbar wirkenden Rentner angegriffen wird. »Das ist eine neue Qualität«, sagt Wolf. Er, der sich schon länger in seinem Alltag auf der Straße umschaut, um zu sehen, wer hinter ihm läuft, sagt inzwischen: »Heute müssen Sie als Journalist in Dresden, der über ‘Pegida’ berichtet, damit rechnen, von einer lieben Oma in der Straßenbahn angegriffen zu werden.« Die Folgen seiner Arbeit beeinflussen das Sicherheitsgefühl des gebürtigen Dresdners im privaten Alltag…“ Artikel von Ellen Nebel vom 01.10.2018 in neues Deutschland online
, siehe dazu:
- Pressefreiheit: Geschlagen, geschubst, bedroht – Gewerkschafter Jörg Reichel über Angriffe auf die Presse und Konsequenzen für die Berichterstattung
“… An den beiden Wochenenden wurden insgesamt elf TV-Teams angegriffen, die in der Regel aus zwei bis drei Personen bestehen; zwei Redaktionen bedroht, sowie 29 freie Journalist*innen, Pressefotograf*innen aber auch Videojournalist*innen. Die Textkolleg*innen, die keine Kamera dabei hatten, waren relativ unsichtbar. Und wir hatten im Nachhinein vier Behinderungen durch die Polizei, insbesondere aber auch eine Körperverletzung und einen Sachschaden. Insgesamt war alles dabei: schlagen, schubsen, bedrohen, beleidigen, anspucken, Versuche, Mund-Nasen-Schutze abzureißen, Schlag auf die Kamera, wegdrücken. Also es ging nicht um ein beiläufiges Beschimpfen als »Lügenpresse«, das haben wir gar nicht dokumentiert. Über die Dunkelziffer kann man nur spekulieren. [Was hat Sie am meisten schockiert?] Am meisten schockiert hat mich, dass Journalist*innen teilweise organisiert angegriffen worden sind. Dass der Hass und die Aggression, die da auf den Demonstrationen gegenüber den Medienvertreter*innen ausgesprochen wurden, spürbar ein zentrales Thema der Demonstrationsteilnehmer*innen war. Da gab es einen Vorfall mit der Identitären Bewegung, die eine Gruppe von vier bis fünf Journalist*innen angegriffen hat. Es gab niemanden, der sich vor die betroffenen Journalist*innen gestellt hat und sie geschützt hat oder dazwischen gegangen ist. Das war ein Aggressionslevel auf einem relativ hohen Niveau. Und im Grund genommen hat nur die Anwesenheit der Polizei Schlimmeres verhindert. (…) [Journalisten konnten sich für den Pressebereich hinter der großen Bühne bei der Siegessäule akkreditieren. Wieso halten Sie das für einen Angriff auf die Pressefreiheit?] Weil die Registrierung und die Reglementierung von Pressebereichen bei öffentlichen Kundgebungen nicht zulässig ist. Man musste seine Kontaktdaten, Namen und das Medium angeben, für das man arbeitet. Die Journalist*innen mussten sich am Eingang melden und dann wurde geguckt, ob man auf der Liste steht und wenn man nicht auf der Liste steht, musste man dem Pressesprecher seine Daten geben. Das sind Beschränkungen auf Demonstrationen, wo das Presserecht sagt, es ist freier Zugang zu gewähren. Der Anmelder darf den Zugang nicht einschränken. [Haben Sie versucht, die Pressefreiheit durchzusetzen?] Ich habe am 1. August hinter der Bühne versucht, die Polizei stundenlang immer wieder in Gesprächen dahin zu drücken und zu schieben, dass sie durchsetzen, dass es einen freien Zugang für Journalist*innen in den Pressebereich gibt, aber die Polizei hat das am frühen Nachmittag abgelehnt, aus Sicherheitsgründen. Auch eine Begehung vor Ort mit Thilo Cablitz, dem Pressesprecher der Polizei, musste aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden. An dem zweiten Wochenende waren wir über 25 Stunden im Regierungsviertel. Am 2. Oktober sind weitere Corona-Proteste angemeldet, da werden wir wieder vor Ort sein, dokumentieren und rechtlich beraten.“ Interview von Jordi Ziour mit Jörg Reichel vom 16.09.2020 in neues Deutschland online - Wieder Angriffe auf Journalisten bei Anti-Corona-Demos: Kamerateams und einzelne Journalist*innen bedroht und geschlagen – Pressearbeit durch Polizei behindert
“Bei den vielen Anti-Corona-Demos am Wochenende in Berlin ist es wieder zu zahlreichen Angriffen und Bedrohungen auf Journalistinnen und Journalisten gekommen. Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Berlin-Brandenburg erklärt dazu: „Die Demonstrationen waren teilweise von Gewalt und Hass gegenüber Journalisten geprägt. Journalisten wurden gezielt angegriffen. Das rechtsextreme Demonstrationsbündnis aus Querdenken, Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand, Corona-Rebellen, Reichsbürgern, Shoa-Leugnern, AfD, NPD und Identitärer Bewegung ist eine Bedrohung für die Demokratie und die Pressefreiheit.“ Nach den vorliegenden Informationen der dju in ver.di wurden zwei Redaktionen bedroht, fünf Fernseh-Kamerateams (mit jeweils zwei bis drei Personen) sowie 12 weitere Journalistinnen und Journalisten wurden, bedrängt, beleidigt, bespuckt und geschlagen. Zudem mussten auch zwei Behinderungen der Pressearbeit durch die Berliner Polizei und die Bundespolizei festgestellt werden. Besonders brutal war ein Angriff auf vier Journalistinnen und Journalisten durch eine Gruppe von 10 bis 15 rechtsextremen Aktivisten der „Identitären Bewegung“ in der Nähe des Brandenburger Tor am Samstagnachmittag. Sie wurden massiv angegriffen, bedrängt, beleidigt und mit den Worten „Ihr werdet totgemacht“ beschimpft…” dju-Pressemitteilung vom 31.08.2020, siehe dazu:
- “Journalist:innen äußern sich selten zu Angriffen. Alle, mit denen ich sprach oder unterwegs war, wurden von #B2808- & #B2908-Teilnehmern teils massiv an der Arbeit gehindert, bedroht und beschimpft. Ein Thread, damit das nicht untergeht…” Thread von Henrik Merker am 30.8.2020 bei Twitter
- “#Coronademo #b2908 #b3008 #Pressefreiheit Zwischenbilanz der rechten Demonstrationen. Bedrohung: 2 Redaktionen, Bedrängung und Beleidigung: 3 Kamerateams (mit jeweils 2–3 Personen) + 12 Journalist:innen bedrängt, beleidigt und geschlagen. 2 Behinderungen durch Polizei und BPOL.” ver.di Jörg Reichel am 30.8.2020 bei Twitter
- “Journalist:innen äußern sich selten zu Angriffen. Alle, mit denen ich sprach oder unterwegs war, wurden von #B2808- & #B2908-Teilnehmern teils massiv an der Arbeit gehindert, bedroht und beschimpft. Ein Thread, damit das nicht untergeht…” Thread von Henrik Merker am 30.8.2020 bei Twitter
- ver.di befürchtet Übergriffe auf Journalist*innen
“Im Zusammenhang mit den geplanten Demonstrationen von „Querdenken711“ und anderen Anmelderinnen am kommenden Wochenende (28. bis 30.8.2020) warnt ver.di vor der Akkreditierung über die Seiten des Anmelders. Es bestehen aus Sicht von ver.di erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Zugangskontrolle. Nach herrschender Rechtsauffassung ist bei einer Demonstration oder Kundgebung Journalistinnen und Journalisten freier Zugang zu gewähren, die Erhebung von Daten durch den Anmelder ist dabei aus Sicht von ver.di nicht zulässig. Die Journalist*innen mussten bei der Demonstration am 1.8.2020 und für den 29.8.2020 Ihre persönlichen Daten beim Anmelder hinterlassen und angeben, für welches Medium sie berichten, wenn sie Zugang zum Pressebereich haben wollen. Wir bewerten dieses Verfahren als Angriff auf die Pressefreiheit. Auf der ersten Demonstration und Kundgebung des Anmelders am 1.8.2020 kam es nach Kenntnis von ver.di zu zahlreichen Beleidigungen, Bedrängen, Schlägen und Schubsen und versuchten Körperverletzungen gegenüber Journalisten, Pressefotografen, Videojournalisten und TV-Kamerateams. ver.di hat Kenntnis von Attacken auf 10 Journalistinnen und Journalisten verschiedener Medien sowie vier TV-Teams (je Team in der Regel drei Personen). Mit Sorge blicken die dju in ver.di nun auf das kommende Wochenende und die geplanten Kundgebungen und Demonstrationen des Anmelders „Querdenken 711“. Nach Analyse der Social-Media-Diskussionen wie aber auch Erklärungen von Seiten des Anmelders gehen wir von einer erheblichen Radikalisierung der Teilnehmer der Demonstrationen aus. Es ist die Rede u.a. vom „Sturm auf das Parlament“, „zwei Wochen Zeltlager“ auf der Straße des 17. Juni und weiteren direkten Bedrohungen auch gegenüber Pressevertreter*innen selbst. Fast die gesamte Szene des Rechtsextremismus, u.a. NPD, III. Weg und die Identitäre Bewegung, hat ihr Erscheinen angekündigt…” dju in ver.di-Meldung vom August 2020 - Journalist bei AfD-Veranstaltung in Plauen angegriffen /Berlin: Neonazis sollen jüdischen Journalisten bedroht und beleidigt haben
- „Neue Eskalationsstufe des Rechtsextremismus“: Neonazis sollen jüdischen Journalisten bedroht und beleidigt haben
“Bei einer Kundgebung vor dem Reichstag sollen Neonazis einen Reporter des Jüdischen Forums bedrängt und antisemitisch beleidigt haben. Antisemitische Beleidigungen und offene Drohungen: Am Rande einer Kundgebung der als rechtsextrem geltenden Organisation „staatenlos.info“ am 11. Juli vor dem Reichstag sollen Teilnehmer, Ordner und ein bekannter Neonazi-Anwalt einen Pressevertreter des Jüdischen Forum (JFDA) massiv an seiner Arbeit gehindert haben. Der Betroffene, dessen Name dem Tagesspiegel bekannt ist, spricht von einer „neuen Eskalationsstufe des Rechtsextremismus“ – denn offen bedroht hätten ihn nicht nur Ordner der Kundgebung, sondern auch der szenebekannte Anwalt Wolfram Nahrath. Nahrath war unter anderem Vorsitzender der 1994 verbotenen „Wiking Jugend“ und engagierte sich danach für die 2009 ebenfalls verbotene „Heimattreue Deutsche Jugend“ sowie die NPD. Er war Pflichtverteidiger des NSU-Helfers Ralf Wohlleben. Wie ein Video des JFDA dokumentiert, forderte Nahrath den Journalisten „im Namen und in Vollmacht des Veranstalters“ mehrfach dazu auf, Filmaufnahmen zu beenden. Zudem forderte er den Presseausweis des Journalisten. Er soll dem Journalisten zudem gedroht haben, dass er dafür „sorgen“ werde, dass dieser nicht weiter filme. Andere Teilnehmer sollen den Journalisten mehrfach umstellt, ihm auf die Linse gefasst und ihn bedrängt haben, um ihn an seiner Arbeit zu hindern. Auch andere Pressevertreter seien betroffen gewesen, berichtet der Journalist. Kurz darauf soll Rüdiger Hoffmann, Anmelder der Kundgebung, ehemaliger NPD-Politiker und Betreiber des Portals „staatenlos.info“, den Journalisten als Vertreter des Jüdischen Forums offenbart haben. Daraufhin hätten Umstehende eine Gasse gebildet, aus der heraus der Journalist mit antisemitischen Begriffen beleidigt worden sein soll. Hoffmann selbst soll unter anderem mit dem Finger auf den Journalisten gewiesen haben, als er von „Satan, dem Vater der Lügen“ sprach. (…) Erst zwei Wochen zuvor soll es am Rande einer Kundgebung des veganen Kochs und Verschwörungstheoretikers Attila Hildmann zu ähnlichen Vorfällen gekommen sein. Auch dort sollen unter anderem ein Journalist des JFDA massiv bedrängt und an seiner Arbeit gehindert worden sein…” Artikel von Madlen Haarbach vom 14.7.2020 im Tagesspiegel online - Journalist bei AfD-Veranstaltung in Plauen angegriffen
“In der vergangenen Woche sind AfD-Mitglieder gewaltsam gegen einen Journalisten vorgegangen. Videoaufnahmen dokumentieren das Geschehen und belegen, dass mehrere Mandatsträger der Partei beteiligt waren. Auch der Landtagsabgeordnete Frank Schaufel war am Tatort, pöbelte mit – und ging nicht dazwischen. Jetzt wird ermittelt. (…)Rund 30 Gäste folgten der öffentlich verbreiteten Einladung, auch Medien sollten demnach ausdrücklich willkommen sein. Doch der einzige Journalist vor Ort war es nicht: Videoaufnahmen zeigen, wie der junge Mann am Arbeiten gehindert, wiederholt beleidigt („ganz krank“, „Dreckbein“), mit Gewalt bedroht („Sonst drücke ich dir eine ins Gesicht!“), zu Boden gerungen, unter Zwang fixiert und weiter gegen seinen Willen festgehalten wird. Einer der Beteiligten erklärte, es handle sich um eine „Festnahme“, so ist es im Video zu hören. Bei der Aktion wurde der Betroffene am Arm verletzt. Die herbeigerufene Polizei aus dem Plauener Revier ging schließlich dazwischen, befreite den Journalisten und nahm mehrere Strafanzeigen auf. Inzwischen wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und der Nötigung eingeleitet…” Bericht vom 14.07.2020 beim Informationsdienst zur AfD in Sachsen
- „Neue Eskalationsstufe des Rechtsextremismus“: Neonazis sollen jüdischen Journalisten bedroht und beleidigt haben
- Angriff auf ZDF-Team am Berliner Landgericht: „Hochgradig aggressiv“
“Rechte haben ein ZDF-Team um Arndt Ginzel bei einem Dreh am Berliner Landgericht bedrängt – nicht zum ersten Mal. Ein Team des ZDF wurde am Donnerstag am Rande eines Prozesses am Berliner Landgericht angegriffen. Nach eigener Auskunft bedrängte eine Gruppe von etwa 15 Personen um den halleschen Rechtsextremisten Sven Liebich den ZDF-Journalisten Arndt Ginzel und seinen Kameramann. Die Journalisten berichteten von Bedrohungen sowie Schlägen gegen sich und ihre Kamera. Vor dem Verhandlungssaal im Gericht hätten sich die Angriffe fortgesetzt. „Das war hochgradig aggressiv und handgreiflich“, sagte Ginzel der taz. „Es wurde gedroht, geschubst, genervt.“ Wiederholt sei gegen die Kamera geschlagen und versucht worden, Kabel aus ihr herauszuziehen. Die Angriffe seien unvermittelt erfolgt, nachdem sie als Journalisten erkannt worden seien. Man selbst habe die Gruppe um Liebich da noch gar nicht angesprochen. Das Team war durch ein ZDF-Mikro erkennbar. Auch der freie Journalist Henrik Merker, der mit vor Ort war, berichtete, dass die Journalisten „massiv bedrängt und angegangen“ wurden. Die Angreifer hätten unter anderem „Lügenpresse auf die Fresse“ skandiert. Bildmaterial, das der taz vorliegt, bestätigt den Vorfall. Dort ist zu sehen, wie die Journalisten beschimpft und bedrängt werden zu verschwinden. Ein Mann schlägt wiederholt gegen die Kamera und ein Mikro. Zu sehen ist auch, wie ein Justizbediensteter dem ZDF-Kameramann ebenfalls das Arbeitsgerät nach unten wegdrückt...” Artikel von Konrad Litschko vom 4.6.2020 in der taz online, siehe dazu die Berichterstattung samt Video von Michael Mayr am 4.6.2020 bei Twitter
und die Videoaufnahme bei Netzpolitik
, die zeigt, wie der Justizbeamte an die Kamera griff und sie wegschubste – angeblich, weil er nicht gefilmt werden wollte. Anschließend griffen auch Rechte die Journalisten an
- Vorfall in Dortmund: Rechtsextremer attackiert WDR-Team
“… Der Angreifer habe am Samstag gegen die Kamera der Journalisten geschlagen und eine Person leicht verletzt, teilte die Polizei mit. Der 23-Jährige kam in Polizeigewahrsam. Zuvor habe der Mann auf einer untersagten Versammlung auf dem Alten Markt einen Medienvertreter beleidigt. Die Stadt Dortmund hatte die für den Samstagnachmittag angemeldete Demonstration gegen Corona-Einschränkungen aus infektionsschutzrechtlichen Gründen verboten. Dennoch erschienen der Polizei zufolge bis zu 150 Menschen, unter ihnen eine Gruppe polizeibekannter Rechtsextremer. In der Stadt fanden am Samstag mehrere weitere Versammlungen statt, unter anderem eine ebenfalls nicht genehmigte Spontanversammlung am Willy-Brandt-Platz. Nachdem sich die verbotene Versammlung am Alten Markt aufgelöst hatte, kam es in Höhe der Hansastraße zu dem Angriff. Der NRW-Landesverband des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV-NRW) verurteilte die Attacke auf die WDR-Journalisten und forderte die Sicherheitsbehörden auf, Journalisten umfassend zu schützen. „Gerade weil sich Angriffe wie diese in den vergangenen Tagen häufen und sich extremistische Gruppen zunehmend gewaltbereit gegenüber Journalist*innen zeigen, müssen sie mit größtmöglichem Fahndungsdruck geahndet werden“, erklärte der Landesvorsitzende Frank Stach…“ dpa-Meldung vom 09.05.2020 in der Rheinischen Post online - [Täter aus dem „linken Spektrum“?] Angriff auf Team der ZDF-„heute show“: Woher diese Gewalt?
“ Laut Polizei soll der Angriff auf das ZDF-Team von Linken ausgegangen sein. Die Frage nach Tätern und Motiv ist aber komplizierter. Wie in einem Zombiefilm sei das gewesen, nur dass die Zombies in diesem Film rennen können. Bis zur letzten Sekunde habe er gedacht, dass die Gruppe von 15 bis 20 Personen gar nicht auf ihn und sein Team zurenne, sondern weg von der Polizei – so beschreibt Satiriker Abdelkarim Zemhoute den Angriff. Der ZDF-Kollege, der ihn interviewt, fragt nach den Tätern. „Hauptsächlich schwarz gekleidete, vermummte Leute“, antwortet Zemhoute, er würde aber keinen wiedererkennen können. Was waren das für Leute? „Ich kann das echt nicht sagen“, antwortet Zemhoute auf die Nachfragen. Er frage sich aber, was die Angreifer getrieben habe. Auch eine Woche nach dem Angriff auf ein Team der „heute show“gibt es noch keine Antworten auf diese Fragen. (…) Ob und was die sechs Festgenommenen für „Linke“ sind und aus welchen Motiven sie das Team der „heute show“ angegriffen haben, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht klar. So halten Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag zwar daran fest, dass die Verdächtigen „teilweise der ‚linken Szene‘ zuzurechnen seien“, sie geben aber auch zu, dass sich die Aufklärung schwierig gestalte, da die bisherigen Zeugenaussagen kein einheitliches Bild ergäben. Zudem sagte Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, der taz am Mittwoch, dass jene beiden Festgenommenen, gegen die sich der Tatverdacht erhärtet habe, nicht jene seien, die in der polizeilichen Statistik als Linke auftauchen. Auch das lässt an der These, die Angreifer seien Linke gewesen, zweifeln. Oder sind die Angreifer vielleicht solche „Linke“, die bei der veschwörungstheoretischen Hygiene-Demo unterwegs waren, wo Links und Rechts seit Ende März zu einer kruden Querfront zusammenschmelzen? Der Hass auf die „heute show“, als linke Propopagandashow des Staatsfunks verschimpft, ist vor allem bei Rechten groß. Aber auch die Szene der Verschwörungsideologen ist überaus misstrauisch: Schon am 30. April kündigt Bernhard Loyen auf der Seite des verschwörungstheoretischen Medienmachers Ken Jebsen den Besuch des „heute show“-Teams an (…) Dass nach der Tat rechtsextreme Foren vor Genugtuung überquollen, passt ins Bild…“ Artikel von Volkan Agar vom 08.05.2020 in der taz online
- ARD-Kamerateam auf Demonstration angegriffen /Studie: Rechtsextreme nehmen Journalisten gezielt in den Fokus
- ARD-Kamerateam auf Demonstration angegriffen
“Erst in der vergangenen Woche mussten Mitglieder eines ZDF-Teams nach einem Angriff auf einer Demonstration ins Krankenhaus. (…) Bei einer Demonstration gegen die Beschränkungen in der Coronakrise vor dem Reichstagsgebäude in Berlin ist es schon wieder zu einem Angriff auf Medienvertreter gekommen. Ein Demonstrant, der ein ARD-Kamerateam attackiert haben soll, sei festgenommen worden, twitterte die Berliner Polizei. Wie das “ARD-Hauptstadtstudio” berichtete, habe sich ein Demonstrant spontan aus der Menge gelöst und den Tonassistenten getreten. Dem Mann gehe es jedoch gut, hieß es. Nach Angaben der Polizeisprecherin hatten sich am Mittwoch 350 bis 400 Menschen vor dem Reichstagsgebäude versammelt. (…) Augenzeugen berichteten, dass ganz verschiedene Gruppierungen vor Ort waren. Viele Menschen seien aggressiv gewesen, Teilnehmer riefen “Wir sind das Volk”…” Meldung vom 6. Mai 2020 bei Spiegel online - Studie: Rechtsextreme nehmen Journalisten gezielt in den Fokus – Hassmails, Beschimpfungen, Morddrohungen: Journalisten werden immer häufiger Ziel von rechten Hass-Attacken
“Journalisten sehen sich einer aktuellen Studie zufolge zunehmend Anfeindungen und Angriffen aus rechtsextremen Kreisen ausgesetzt. Sechs von zehn befragten Journalisten erhielten nach eigenen Angaben in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal hasserfüllte Reaktionen, wie aus der am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Studie hervorgeht. Laut Gewaltforscher Andreas Zick haben diese Attacken zugenommen. Christoph Hebbecker, Cybercrime-Experte von der Staatsanwaltschaft Köln, mahnte bessere Anzeigemöglichkeiten und mehr Spezialisten für die Strafverfolgung an. Die Journalistin Gilda Sahebi forderte mehr Unterstützung für betroffene Journalisten. Für die Untersuchung wurden bundesweit 322 Medienschaffende anonym online befragt. Die Studie sei nicht repräsentativ für alle Medienschaffenden in Deutschland, hieß es. (…) Jeder sechste Befragte (16,2 Prozent) wurde nach eigenem Bekunden im Berufsalltag körperlich angegriffen, etwa gleich viele (15,8 Prozent) erhielten Morddrohungen. Besonders bei den Themen Flüchtlinge, Migration und AfD gibt es der Studie zufolge Hassreaktionen. Die meisten Attacken erleben Journalisten in sozialen Netzwerken und per E‑Mail. Der überwiegende Teil der von Hass betroffenen Journalisten (84 Prozent) ordnet die Anfeindungen einem rechten politischen Spektrum zu. 29 Journalisten, die Opfer von Angriffen wurden, stellten nach eigenen Angaben Strafanzeige. In 21 Fällen nahm die Polizei Ermittlungen auf, fünfmal kam es zu einer Verurteilung. Die Studie mache deutlich, dass es hier um professionelle Aktionen von rechtsextremen Netzwerken gehe, erläuterte Zick. Extremisten und Populisten sähen in Hassreden eine Möglichkeit, ihre Feinde einzuschüchtern und Zeichen zu setzen. Die Studie „Hass und Angriffe auf Medienschaffende“ wurde vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt – und Gewaltforschung der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit dem Mediendienst Integration erstellt, einer Informationsplattform für Journalisten. (…) Die typischen Verbreiter von Hasskommentaren sind nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft ältere Männer, wie Hebbecker erläuterte. In der Regel handele es sich um Menschen, die bislang nicht auffällig oder vorbestraft gewesen seien.” Beitrag vom 7. Mai 2020 von und bei MiGAZINmit Link zur Studie “Hass und Angriffe auf Medienschaffende”
- ARD-Kamerateam auf Demonstration angegriffen
- [ECPMF-5-Jahre-Bilanz] Feindbild Journalist IV: Bedrohung als Normalzustand
“Der erste Monat des Jahres 2020 zeigt, dass Journalistinnen und Journalisten weiterhin mit Gewalt gegen ihren Berufsstand rechnen müssen. In fünf Fällen wurden Medienschaffende allein im Januar angegriffen. Keiner der Angriffe erfolgte auf einer rechten Demonstration. Dort wurde seit Beginn der Erfassung jeweils der Hauptanteil der Angriffe registriert. Seit 2015 erfasst das ECPMF tätliche Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten systematisch. Nach fünf Jahren zeichnet sich ein deutliches Bild: Angriffe auf die Presse sind inzwischen der Normalzustand. Die Ergebnisse des Jahres 2019 hingegen bestätigen das Tatbild der Vorjahre – trotz gesunkener Fallzahlen. 14 tätliche Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten hat das ECPMF verzeichnet. Zum Vergleich: Im Vorjahr 2018 wurden 26 gewaltsame Übergriffe bestätigt. 2019 kamen mit Ausnahme von drei Angriffen alle aus dem rechten Lager. Der Befund der zurückliegenden vier Jahre wird damit untermauert: Medienschaffende, Journalistinnen und Reporter waren nach wie vor am stärksten durch Pressegegnerinnen und ‑gegner aus dem rechten Lager¹ gefährdet. Tätliche Angriffe von links sind dem ECPMF für das Jahr 2019 nicht bekannt. Attacken aus rechten Zirkeln hat es bisher immer gegeben, hauptsächlich gegen Fachjournalistinnen und Journalisten. Seit 2015 hat sich dies geändert: Sowohl das Feld der Betroffenen als auch die Täterkreise haben sich erweitert. Eine breite, heterogene Masse trägt die Pressefeindlichkeit. Journalismus ist unterschiedslos für alle Medienschaffende – insbesondere, wenn sie von rechten Großdemonstrationen berichten – zum Wagnis geworden. (…) 92 von 119 Angriffen sind dem rechten Spektrum zuzuordnen. In 16 Fällen ist die politische Zuordnung nicht eindeutig und bei elf handelt es sich um linke Angriffe. Von den insgesamt 92 rechten Angriffen fanden 79 auf oder im Umfeld von Demonstrationen statt. Damit sind politische Demonstrationen des rechten Lagers die gefährlichsten Orte für Journalistinnen und Journalisten in Deutschland…“ Meldung vom 11.03.2020 vom und beim Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF)zur Studie
- [dju Bayern zur AfD-Attacke in Lindau] Solidarität für bedrohten Kollegen und Journalisten Sebastian Lipp – Angriff auf die Pressefreiheit wird nicht akzeptiert
“Als völlig inakzeptabel bezeichnet die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) Bayern die Bedrohung des Lindauer Journalisten Sebastian Lipp. Der AfD-Kreistags- und Stadtratskandidat Peter Birnböck hatte öffentlich erklärt: “Ich werde ihn zerfetzen und werde ihm fürchterliche Schmerzen zufügen.” Bei einer Kundgebung nahe des Redaktionsbüros der Lindauer Zeitung wurde am Donnerstagabend gegen diese Attacke demonstriert. Dort wurde auch unsere Solidaritäts-Adresse verlesen: Klaus Schrage, einer der beiden Sprecher der dju Bayern, schreibt darin: “Erschüttert und besorgt haben wir, die Deutsche Journalist*innen-Union im ver.di-Landesbezirk Bayern, die Nachrichten über die Vorgänge in Lindau zur Kenntnis genommen. Wieder einmal hat ein Vertreter der AfD die tatsächliche Gesinnung dieser Partei für uns alle wahrnehmbar zum Ausdruck gebracht. Zwar können uns Ausfälle von AFD-Vertreter*innen kaum noch aufs Neue schockieren. Aber die Drohung, einen Journalisten-Kollegen zu zerfetzen und ihm „fürchterliche Schmerzen“ zuzufügen, hat eine besonders üble Qualität. Dies ist die Sprache des Faschismus, die Sprache jener, die ungestört von unabhängigen Medien die Macht über die Köpfe der Menschen gewinnen wollen. Die dju hat den Kollegen (Lipp) schon vor eiineinhalb Jahren unterstützt. Damals wurde ihm hartnäckig die Akkreditierung zu Versammlungen der AfD Oberallgäu verwehrt. Das Vorgehen und die dazugehörige Sprache folgen demselben Muster. (…) Als Gewerkschaft danken wir allen Kolleg*innen (wie Sebastian Lipp), die sich gegen faschistische Organisationen positioniert haben und Kontrolle ausüben. Ihnen gilt unsere Unterstützung und vollste Solidarität.“ Mitteilung der DJU Mittelfranken vom 9.3.2020, siehe zum Hintergrund:
- AfD-Gegner blocken Angriffe auf die Pressefreiheit in Lindau
“Unter dem Motto »Finger weg von der Pressefreiheit« stellen sich AfD-Gegner am Montag mit einer Kundgebungzwischen eine Versammlung der Rechtsaußenpartei und das Redaktionsgebäude der Lindauer Zeitung. Gegen die Angriffe der AfD Lindau auf die Pressefreiheit wollen die Initiative gegen Rassismus – Westallgäu und die Kampagne Keine Stimme für Rassismus am Montag vor dem Redaktionsgebäude der Lindauer Zeitung demonstrieren. Das geht aus einer gemeinsamen Stellungnahme hervor, die die beiden Gruppen seit Freitag verbreiten. Darin rufen sie zur Teilnahme an der Kundgebung ab 17:30 Uhr auf der Lindauer Insel, Höhe Maximilianstraße 40, auf. Dem ging ein Aufruf von AfD-Ortschef Rainer Rothfuß an seine Anhänger voraus, am Montag vor dem Gebäude der Lindauer Zeitung zu demonstrieren. Dem Medienhaus wirft Rothfuß in dem Schreiben von Mittwoch »linke Hetze« vor. Funktionäre der AfD Lindau fielen in der Vergangenheit mehrfach mit massiven Bedrohungen und Beleidigungen gegenüber Pressevertretern auf
. »LIPP WERDE ICH ZERFETZEN. […] Diesen wichser werde ich fürchterliche Schmerzen zufügen«, zitieren die AfD-Gegner eine öffentlich einsehbare Drohung des Lindauer AfD-Funktionärs Peter Birnböck (Fehler im Original). Nach Auffassung der antirassistischen Initiativen bedroht Birnböck damit de facto das Leben des Allgäuer Journalisten und Chefredakteurs von Allgäu ⇏ rechtsaußen. Den Betroffenen zeichnete der Bayerische Journalistenverband zum Tag der Pressefreiheit im vergangenen Jahr für seine Recherchen zum rechten Untergrund im Allgäu aus
. (…) »Wir werden nicht zulassen, dass Rothfuß und seine Kameraden die Stimmung bei uns in Lindau weiter vergiften«, heißt es im Aufruf gegen die AfD-Kundgebung. Die Angriffe und Bedrohungen auf Pressevertreter durch die Lindauer AfD seien »klarer Ausdruck von deren faschistischen Tendenzen und verdeutlichen einmal mehr, welche Gefahr von der Rechtsaußenpartei auch hier in der Region ausgeht.« Mit der Anmeldung der Versammlung wolle man auch dafür sorgen, dass die AfD nicht direkt vor dem Gebäude der Zeitung stehen könne…” Bericht von Norbert Kelpp vom 8. März 2020 bei Allgäu ⇏ rechtsaußen
- Siehe Sebastian Lipp bei Twitter: @SebastianLipp
- AfD-Gegner blocken Angriffe auf die Pressefreiheit in Lindau
- Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad: Designierter ARD-Vorsitzender fällt Mitarbeiter*innen in den Rücken – Die Folgen von Buhrows Handeln sind nicht nur kurzfristig
“Mit seiner Reaktion auf einen von rechtsaußen dominierten Shitstorm, das Video von WDR 2 mit einer Satire-Version von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ zu löschen, hat WDR-Intendant Tom Buhrow Fakten geschaffen. Die Löschung eines Inhalts ist immer nur das letzte Mittel. Üblicherweise findet eine Manöverkritik statt. Was lief gut? Was können wir beim nächsten Mal besser machen? So entwickeln sich Mitarbeiter*innen und die Inhalte werden immer professioneller. Wenn keine groben inhaltlichen Fehler gemacht werden, liegt normalerweise kein Grund vor, eine Produktion aus dem Netz/Programm zu nehmen. Buhrow hat mit der Löschung in die innere Rundfunkfreiheit eingegriffen und damit den beteiligten Kolleg*innen die Rückendeckung genommen. Mit seiner persönlichen Entschuldigung beim empörten Teil des Publikums in einer WDR2-Callin-Sendung kam dann noch ein zusätzliches „in den Rücken fallen“ obendrauf. Gleiches gilt für einen Kollegen, der auf Twitter ins Visier des (vorwiegend) rechten Shitstorms geriet. Über den Twitter-Account der Aktuellen Stunde wurde mehrfach in einer als Abgrenzung wirkenden Art und Weise darauf verwiesen, dass es sich um einen „freien Mitarbeiter“ handeln würde. Diese Entsolidarisierung blieb nicht ohne Konsequenzen: Der Mitarbeiter wird mittlerweile massiv von der rechten Szene bedroht, vor dem Haus seiner Eltern demonstrierte bereits ein Führungskader der Dortmunder Neonaziszene. Der künstlerische Leiter der Chorakademie Dortmund wurde als Kinderschänder beschimpft und seine Telefonnummer veröffentlicht. Der im Berliner Abgeordnetenhaus sitzende AfD-Politiker Harald Laatsch veröffentlichte unter dem Stichwort „Kindesmissbraucher“ die Namen und Fotos aller sieben Verantwortlichen des Kinderchors. Aber auch nach außen wurde erheblicher Schaden angerichtet. Hätte ein*e Intendant*in eines Theaters nach der Premiere eines von bestimmten Kreisen unter Beschuss genommenen Stückes ähnlich reagiert und es aus dem Spielplan gestrichen? Ähnlich wie am Theater ist es auch Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen und zu fördern. Anhand des umgedichteten Kinderlieds konnte anfangs auch noch über den Inhalt diskutiert werden, wenn auch durch den Shitstorm erschwert. Mit seiner Entscheidung zur Löschung des Videos hat der Intendant einen Schlussstrich gesetzt und somit der Gesellschaft die Möglichkeit genommen, sich anhand eines über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugänglichen Videos eine eigene Meinung zu bilden. Und so wurde die Löschung des Videos zum Triumphzug vor allem für die, die sich auch sonst bei jeder Gelegenheit eine Welt ohne einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünschen. Ihre Siegesparty feierten diese Leute dann am Sonntagnachmittag auf dem Appellhofplatz. Die Folgen von Buhrows Handeln sind nicht nur kurzfristig. Welche Auswirkungen das auf die Zusammenarbeit der Mitarbeiter*innen? Sorgen gibt es: Bekomme ich Rückendeckung für meine Arbeit? Oder laufen wir jetzt bei jeder Gelegenheit Gefahr, die Rückendeckung von ganz oben zu verlieren? Die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht anders aus. Das hat massiven Einfluss auf die innere Presse-/Rundfunkfreiheit. Den Umfang können wir nur erahnen. Müssen alle Autor*innen und Redakteur*innen in Zukunft mit einer „Schere im Kopf“ arbeiten? Machen wir lieber ein einfaches Kolleg*innengespräch als aufwändige künstlerische und satirische Produktionen? Wir fordern solidarische Unterstützung der betroffenen Mitarbeiter*innen statt Entsolidarisierung…” Stellungnahme von und bei ver.di Senderverband WDR(ohne Datum) – siehe dazu auch:
- Deutsche TV-AutorInnen erklären sich solidarisch mit den WDR-MitarbeiterInnen und fordern die Wiederonlinestellung des “Umweltsau”-Beitrags
“Wir als Fernseh-AutorInnen erklären uns solidarisch mit den KollegInnen vom WDR, die von Ihrem Arbeitgeber aufs Fahrlässigste allein gelassen werden, und fordern die sofortige Wiederonlinestellung des „Umwelt-Sau“-Beitrags. Der Streit um das Lied entbehrt jeder rationalen Grundlage. Selbst das Wort „Satirefreiheit“ scheint unangemessen, wenn die Empörungsschwelle so niedrig liegt, dass sie auch von jedem zweiten Popsong gerissen wird. Eine (!) fiktionale Oma diskriminiert genauso wenig eine ganze Generation wie der Alkoholiker-Vater aus „Papa Was a Rollin’ Stone“ nicht alle Männer für untauglich erklärt. Der Skandal ist ein anderer: die Skandalisierung des Liedes folgt gut bekannten Mustern rechter Trolle. (…) Tom Buhrow ist mit seiner Reaktion auf den künstlich erzeugten Skandal in eine Falle getappt, aus der er ohne massiven Glaubwürdigkeitsverlust nicht mehr heraus kommt. Ein Medienmanager, dessen Umgang mit moderner, rechter Propaganda von so viel Naivität und Ungeschicktheit zeugt und der nicht in der Lage ist, sich in einfachsten Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit vor seine MitarbeiterInnen zu stellen, gefährdet eben diese Freiheiten. Er sollte die Konsequenzen ziehen.” Solidaritätserklärung vom 6.1.2020 bei Stefan Stuckmann: “Zusammen mit Thomas Rogel von der heute Show habe ich eine Solidaritätserklärung für die WDR-MitarbeiterInnen verfasst, die hier auch als PDF abrufbar
ist. Unter den UnterzeichnerInnen sind unter anderem AutorInnen von allen großen Satire-Sendungen wie der heute Show, dem Neomagazin, extra3 sowie der rbb Abendshow“
- Die rechten Hetzer gegen WDR-Satire mobilisierten am 4.1. trotz dem Kotau des Intendanten nur Wenige: Die meisten ihrer Parteigänger trugen Uniform
„… Über 2000 Demonstrant*innen waren heute bei den Protesten gegen mehrere Nazikundgebungen vor dem WDR und am Dom. Gleich vier verschiedene Kundgebungen und Aktionen hatten extrem rechte Gruppierungen anlässlich des WDR-Hühnerstall-Videos für Samstag in der Kölner Innenstadt angekündigt. Über 2000 Gegendemonstranteninnen sorgten dafür, dass diese zum Flop wurden, oder gar nicht stattfanden. Der Tag begann mit einem Infostand der AfD. Dieser war ursprünglich für den Wallrafplatz angemeldet, fand dann aber aufgrund von Gegenprotesten isoliert und umringt von Protestierenden vor dem Museum für Angewandte Kunst statt. Beim AfD-Stand war u.a. auch ein Rechter, der am Rande der letzten 1. Mai Demo in Köln antisemitische Parolen gerufen hatte und deswegen eine Anzeige von der Polizei bekommen hatte. Um 11.30h versammelten sich dann etwa 1000 Demonstranteninnen zu einer Kundgebung von Köln gegen Rechts auf der Domplatte. Entgegen den Ankündigungen der Polizei fand am Rande der Domplatte zeitgleich eine Nazimobilisierung statt. Diese versuchte Kundgebung von Nazis aus Köln und Mönchengladbach musste aufgrund der Gegenproteste, spätestens nachdem dem Anmelder das Mikro abgenommen wurde, nach kurzer Zeit abgebrochen werden. 2000 Demonstranteninnen auf Kundgebung von KgR vor dem WDR. Nach einer kurzen Demonstration von der Domplatte versammelten sich vor dem WDR 2000 Protestierende. Auch hier hielt die Polizei sich nicht an Absprachen von der Anmeldung und ließ die Gegendemonstration nicht auf den Appellhofplatz. Die Protestierenden mussten sich in der Kupfergasse zusammenquetschen. Eine parallel angekündigte Kundgebung des Rheinischen Antifaschistischen Bündnisses gegen Antisemitismus konnte deswegen nicht stattfinden. Auf der Kundgebung von KgR sprachen Vertreter des DJV und der WDR-VERDI-Betriebsgruppe, sowie mehrere freie Journalisteninnen des WDR. Sie kritisierten deutlich das Einknicken des WDR-Intendanten vor dem rechten Shitstorm. Zudem gab es weitere Redebeiträge u.a. von den Parents for Future, RABA und Köln gegen Rechts…“ – aus dem Demonstrationsbericht „2000 Demonstrant*innen gegen 60 Nazis in Kölner Innenstadt“ am 04. Januar 2020 bei Köln gegen Rechts, worin zur rechten Mobilisierung von uniformierten Unterstützern noch nichts gesagt wird. Siehe dazu auch:
- „Rechtsextreme gegen WDR“ von Annett Selle am 04. Januar 2020 in der taz online
widmet sich auch dem „Wirken“ der Polizei im Sinne der Nazibande: „… Für diesen Samstag allerdings sind Zusammenstöße dokumentiert. Es beginnt gleich auf der Domplatte, wo sich der Gegenprotest zur angemeldeten ersten Kundgebung versammelt. Die Rechtsextremen sollen sich laut Anmeldung einige Straßen weiter sammeln – dann steht plötzlich eine Gruppe aus etwa zehn Menschen mit dem Banner einer rechtsextremen Gruppe auf der Domplatte. „Alerta, Alerta, Antifaschista!“ Der Gegenprotest eilt herbei, ebenso die Polizei. Gelangt Gegenprotest auf eine angemeldete Naziroute, fordert die Polizei diesen unangemeldeten Gegenprotest in der Regel dazu auf, den Bereich der angemeldeten Nazi-Versammlung zu verlassen, und räumt bei Nichtbefolgung. Nun aber stehen unangemeldet Menschen mit dem Banner einer für Nazihooligans bekannten Gruppe im angemeldeten Gegenprotest. Die Beamt*innen schreiten zwar auch hier ein – drängen aber den Gegenprotest zurück. Sie trennen die Gruppen erfolgreich. Dann lassen sie die Nazis, wo sie sind und schaffen im Bereich der angemeldeten Versammlung des Gegenprotests Platz für unangemeldeten rechten Protest. Unübersichtlich ist es, eigentlich durchgehend, auch für die Polizeikräfte. Als sie später am WDR-Gebäude rechte Versammlungsteilnehmer durch den Gegenprotest schleusen wollen, schlägt einer der Rechten einen Polizeibeamten. Weitere Polizisten stürmen in die enge, vom Gegenprotest gut gefüllte Unterführung, um den Kolleg*innen zu helfen. Die Gegendemonstrant*innen mischen mit. Es eskaliert. Schließlich setzen Beamt*innen Pfefferspray und Schlagstöcke gegen den Gegenprotest ein. Danach ist die Unterführung leer...“
- „Von der Lügenpresse zum Kampf gegen die GEZ-finanzierten Medien“ von Peter Nowak am 05. Januar 2020 bei telepolis
zu den „Weiterungen“ der faschistischen Randale unter anderem: „… Es ist wahrscheinlich, dass die Empörung über den konkreten Fall beim WDR bald erschöpft sein dürfte. Doch die Rechten könnten hier ein neues Propagandathema haben, das sie bei Bedarf immer wieder aktivieren können. Es geht um den Kampf gegen den Öffentlichen Rundfunk. In rechten Kreisen wird schon lange in diffamierender Absicht von den GEZ-Medien gesprochen. Die Lügenpressenrufe bei den Pegida-Aufmärschen waren noch ausdrücklich gegen sämtliche Medien gerichtet. Auch konservative Medien wie die FAZ und die selber oft populistisch auftretende Springerpresse war da nicht ausgenommen. Man hatte gelegentlich den Eindruck, dass diese Medien, wenn sie sich kritisch zur AfD und Pegida äußerten, besonders stark angegriffen wurden. Dass in letzter Zeit besonders die öffentlich rechtlichen Medien in den Fokus der rechten Angriffe rückten, ist kein Zufall und auch nicht nur auf Deutschland beschränkt. Konservative und Ultrarechte sind bei ihren Angriffen gegen diese Medien oft gar nicht weit voneinander entfernt. So hatte die rechtskonservative SVP in der Schweiz mit einer Volksabstimmung die Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Medien abschaffen wollen und war damit gescheitert. Auch der britische Ministerpräsident Johnson hatte sich in Medienschelte geübt und die BBC angegriffen, was bei den Rechten in Deutschland auf viel Zustimmung stößt. Die Kampagne von US-Präsident Trump gegen alle Medien, die ihn kritisieren, ist bekannt. Es gibt zahlreiche Gründe für den rechten Kulturkampf gegen die Öffentlich-Rechtlichen. Es ist eindeutig, dass sowohl auf politischem als auch auf kulturellem Gebiet gelegentlich auch minoritäre Positionen dort Gehör finden. Es ist allerdings falsch zu denken, sie würden die Öffentlich-Rechtlichen dominieren, wie manche Rechten glauben machen wollen. Aber sie hatten dort gelegentlich ein Eckchen, wo sie auch mal radikalere Kritik äußern konnten. Der Satiresong ist dafür ein Beispiel. Es ist schon bezeichnend, dass sich über Tage Menschen über einen Beitrag aufregen, der unverkennbar Satire ist. Schon das Lied, das zur Grundlage genommen wurde, ist unschwer als Persiflage zu erkennen. Oder ist es irgendwo ein regionaler Brauch, dass Omas im Stall Mofa fahren? Und diese Satire hat der Chor der Jugendlichen aktualisiert. Man kann auch darüber lachen oder die ganze Chose ignorieren. Dass aber dadurch eine Debatte ausgelöst wurde, an der sich bereits Politiker der Union und SPD auf unterschiedlichen Seiten beteiligen, zeigt auch an, dass es bei der rechten Kampagne keineswegs um ein Strohfeuer handelt...“
- „Rechtsextreme gegen WDR“ von Annett Selle am 04. Januar 2020 in der taz online
- Am 04. Januar wollen rechte Umweltsäue erneut gegen den WDR demonstrieren – trotz Kotau
„Für den kommenden Samstag, den 4. Januar 2020 um 14 Uhr gibt es erneut einen Aufruf aus Nazikreisen eine Kundgebung/Demonstration vorm WDR am Appelhofplatz abzuhalten. Dieser kursiert sowohl im Umfeld der „Bruderschaft Deutschland“ und Identitären-nahen Gruppen, die am letzten Sonntag dort aufgelaufen sind, wie auch in Kreisen der AfD. Mitglieder des Flügels rufen zu der Demonstration auf. Für den selben Tag wird aus den Reihen der AfD auch zu einer Kundgebung vor dem SWR in Baden-Baden aufgerufen…“ – aus der Pressemitteilung „Erneuter Naziaufmarsch vor dem WDR am Samstag“ am 01. Januar 2020 bei Köln gegen Rechts– worin auch dazu aufgerufen wird, sich an einer Gegenprotest-Aktion dortselbst zu beteiligen
- WDR: Kollegen nicht im Regen stehen lassen
“Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Verantwortlichen des Westdeutschen Rundfunks auf, sich aktiv um den Schutz und die Sicherheit des freien Journalisten Danny Hollek zu bemühen. Der Journalist ist derzeit Opfer von Beleidigungen und Morddrohungen im Zusammenhang mit seinen Tweets zur „Umweltsau“-Satire. Angehörige der rechtsextremen Szene marschierten vor seinem Haus auf und versuchten, den Journalisten einzuschüchtern. „Sowohl der WDR, für den der Kollege arbeitet, als auch die Sicherheitsbehörden sind aufgefordert, Danny Hollek zu schützen“, verlangt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Es gehe nicht um Geschmacksfragen von Satire, sondern um den Schutz von Satire- und Meinungsfreiheit. Als „wenig hilfreich“ bezeichnet der DJV-Vorsitzende in dem Zusammenhang die redaktionelle Distanzierung des WDR-Intendanten Tom Buhrow von der „Umweltsau“-Satire: „Tom Buhrow muss sich der Frage stellen, ob er mit seiner eilfertigen redaktionellen Distanzierung für den Beitrag nicht all denen Oberwasser gegeben hat, die nicht auf den Austausch von Argumenten, sondern auf das Mundtotmachen kritischer Journalisten aus sind.“ Wünschenswert wäre eine Versachlichung der Auseinandersetzung.” djv-Pressemitteilung vom 30. Dezember 2019 - @Verdi_im_NDR bei Twitter
: @Verdi_im_NDR fordert wie @verdi_WDR von @ARDde und @ZDFpresse, dass Beschäftigte, egal ob fest oder frei, in der Ausübung ihrer Tätigkeit durch die Sender geschützt werden müssen!
- Deutsche TV-AutorInnen erklären sich solidarisch mit den WDR-MitarbeiterInnen und fordern die Wiederonlinestellung des “Umweltsau”-Beitrags
- Alleingelassen nach rechten Morddrohungen? Journalist Richard Gutjahr macht Bayerischem Rundfunk schwere Vorwürfe
“Geben öffentlich-rechtliche Sender freien Mitarbeitern zu wenig Rückendeckung? Reporter Richard Gutjahr heizt die Debatte an. Der BR weist die Kritik zurück. Nach der Diskussion um die “Umweltsau”-Satire in und um den WDR heizt nun Richard Gutjahr die Debatte um die Sicherheit der Mitarbeiter in öffentlich-rechtlichen Sendern an. In einem offenen Brief an BR-Intendant Ulrich Wilhelm kritisiert der Blogger und Reporter den Umgang mit freien Mitarbeitern scharf. Gutjahr verlässt die Anstalt nach 22 Jahren als fester freier Mitarbeiter. Der BR habe Gutjahr und seine Familie mit dem “Hass und der Hetze” in Folge seiner ARD-Berichterstattung allein gelassen, so der Journalist. Gutjahr wirft Wilhelm vor, den Rundfunkrat mit Unwahrheiten getäuscht zu haben. Nachdem Gutjahrs Rechtsschutzversicherung ihm nach einem Jahr kündigte, habe der Journalist den BR um juristische Unterstützung gebeten, die ihm verwehrt worden sei…” Artikel von Markus Ehrenberg vom 01.01.2020 beim tagesspiegel onlineund der Offene Brief von und bei Richard Gutjahr
– empfehlenswert!
- So bedrohen Neonazis kritische Journalisten
“Auf Demonstrationen hetzen Rechtsextreme gegen die Medien. Journalisten, die über die Szene berichten, stehen unter enormem Druck. Hier erzählen drei von ihnen aus ihrem schwierigen Arbeitsalltag. Es war ein Fanal gegen unliebsame Berichterstattung: Auf einer Demonstration in Hannover marschierten Rechtsextremisten durch die Stadt, um gegen die Arbeit dreier namentlich genannter Journalisten zu protestieren. Doch dahinter steckte mehr: Die Kundgebung war eine gezielte Einschüchterung von Medienvertreterinnen und Medienvertretern, die über das Treiben der rechten Szene berichten. Und es blieb nicht die einzige ihrer Art. Im Alltag ist der Druck auf Journalisten noch höher. Sie erhalten Todesdrohungen, auf ihre Wohnungen werden Angriffe verübt – so berichtete es unser Autor David Janzen in einer Reportage. Und er ist nicht allein. Drei Autoren, die im Bereich Rechtsextremismus recherchieren, haben für den Störungsmelder aufgeschrieben, wie es ist, im Fadenkreuz der Szene zu stehen. (…) Seit wir 2017 beim Bayerischen Rundfunk mit den Kollegen der Nürnberger Nachrichten ein Rechercheteam zum NSU-Komplex und den Verbindungen in die bayerische Szene gegründet haben, häufen sich Schmierereien und Graffitis in der Nähe meiner Wohnung. Mir wird dort mit einem „Hausbesuch“ gedroht. Die Rechtsextremen wollen damit offensichtlich vermitteln, dass sie wissen, wo ich wohne, mir das Gefühl geben, jederzeit könnte etwas passieren. (…) Während meiner Berichterstattung über den NSU-Prozess in Münchenmachte mir das vor Jahren ein Mann deutlich, der einst Kontaktperson der NSU-Gruppe war und heute für die AfD im Chemnitzer Stadtrat sitzt. 2015 begleitete er einen Zeugen aus der Chemnitzer Neonaziszene zum Verfahren und setzte sich in den Zuschauerraum. Als er ging, beugte er sich zu mir und raunte mir mit dem Zusatz „Alles klar?“ meine Adresse zu. Nicht nur ich, sondern alle umsitzenden Journalisten verstanden den Hinweis gleich: Wir wissen, wo du wohnst, pass auf, was du schreibst! Ich habe den Sachverhalt damals angezeigt, damit er schriftlich festgehalten ist, für den Fall, dass wirklich etwas passiert. (…) Ein Schlag mit einer Flasche auf den Kopf im sächsischen Ostritz – Verfahren eingestellt, Täter nicht ermittelbar. Ein Flaschenwurf gegen meinen Kopf in Chemnitz – wegen unübersichtlicher Lage gar nicht erst angezeigt. Schlag gegen Kamera und Unterarm in Wurzen – Ermittlungen laufen. Immer wieder gehen Neonazis so rabiat gegen mich vor…“ Artikel von Jonas Miller, Jens Eumann und Henrik Merker vom 11.12.2019 im Störungsmelder-Blog bei der Zeit online
- Aufruf zu antidemokratischem Handeln: Jimdo löscht AfD-Meldeportal gegen Journalisten
“Der Hamburger Webseiten-Baukasten Jimdo hat eine von Bundestagsabgeordneten der AfD eingerichtete Website gelöscht. Darauf war zur Meldung von „lügenden“ und „manipulierenden“ Journalisten aufgerufen worden. „Dokumentieren Sie mit uns die schlimmsten Lügen und Manipulationen der Haltungsredaktionen und schicken Sie sie – garantiert anonym und komplett vertraulich – an diese E‑Mail-Adresse.“ Unter anderem diese Aufforderung findet sich auf dem Meldeportal der AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, Uwe Schulz, Nicole Höchst und Udo Hemmelgarn. (…) Offenbar sieht Henze in der Aufforderung zur gezielten und anonymen Meldung von Journalisten einen Verstoß gegen die Richtlinien des Unternehmens. So wolle er sich an einem Angriff auf die Pressefreiheit nicht beteiligen. Laut dpa teilte der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron mit, dass von ihm und drei weiteren AfD-Abgeordneten initiierte Meldeportal sei für Journalisten, die „Fakenews, Manipulation und einseitige Berichterstattung satthaben“. Die Kritik Henzes weist Bystron zurück. Vor allem den Vorwurf „antidemokratischen Handelns“ sehe er nicht, das Gegenteil sei der Fall. Das „Aussteigerprogramm für Mainstream-Journalisten“ sei überdies inzwischen auf einen anderen Server ausgewichen. Der Deutsche Journalisten-Verband DJV wertet das Meldeportal als Provokationgegen den kritischen Journalismus…” Meldung vom 02.12.2019 bei t3n
- Angriffe auf die Faktencheck-Redaktion von CORRECTIV. Hassnachrichten, Beleidigungen und Drohungen: Wie wir angegriffen werden und wie wir uns gemeinsam dagegen wehren können
„Prostituierte der Lügenmedien“. „Lügenmediennutte“. „Berufslügnerin“. Solche Beschimpfungen müssen wir uns im Faktencheck-Team fast täglich anhören, weil wir Falschmeldungen öffentlich Fakten gegenüberstellen. Besonders unsere Redakteurinnen werden nicht nur in privaten Nachrichten, sondern auch öffentlich beschimpft. Reichweitenstarke Blogs veröffentlichen ihre Namen, teilweise mit Foto, und präsentieren sie der Leserschaft als Feindbild. Aus Beleidigung werden schnell Drohungen. (…) Viele Redaktionen erhalten Hassnachrichten und Drohungen, auch die Faktenchecker von CORRECTIV. Das liegt an unserer Arbeit: Wir durchsuchen das Netz systematisch nach Falschmeldungen, die wir dann in Faktencheck-Artikeln richtig stellen. Die Themen sind oft kontrovers. Die Hassnachrichten folgen in Wellen. An manchen Tagen bleibt es still, an anderen ist das Postfach voll. (…) Aber jeder Hasskommentar, jeder verachtende Artikel über uns, ist auch ein Zeichen, dass wir etwas erreichen. Wir ertragen diese Beleidigungen und Bedrohungen, weil wir daran glauben, dass gesellschaftlicher Dialog nur auf Basis von Fakten und Aufklärung funktionieren kann. Hetze gegen Geflüchtete und Ausländer, das Leugnen des Klimawandels, das sind nur zwei der Themen, über die Webseiten und Blogs gezielt Desinformation verbreiten. Die Faktencheck-Redaktion von CORRECTIV recherchiert, was stimmt und was nicht. Und wir sind damit sehr erfolgreich. Für die Seiten, die Falschmeldungen und Desinformation verbreiten, ist unsere Arbeit unterdessen zu einer enormen Bedrohung geworden. Wenn wir Beiträge einer Webseite mehrfach als falsch einstufen, sinkt die Reichweite der Seiten bei Facebook. Weil Facebook einer der wichtigsten Verbreitungskanäle für Populisten, Verschwörungstheoretiker, Impfleugner, Reichsbürger und Desinformanten ist, verlieren sie deutlich an Lesern…“ Beitrag vom 27.11.2019 bei Correktiv.org
- [Hannover am 23.11.19]: Polizeidirektion Hannover verbietet NPD-Demo – NPD stellt Eilantrag gegen Demo-Verbot – Gegendemo “Journalist*innen gegen Nazis verteidigen” findet statt – Berichte
“Die rechtsextreme NPD wehrt sich mit rechtlichen Schritten gegen das von der Polizeibehörde verhängte Demonstrationsverbot. Die NPD hat einen Eilantrag sowie eine Klage beim Verwaltungsgericht Hannover eingereicht. Das berichtet NDR 1 Niedersachsen. Über den Eilantrag will die zuständige 10. Kammer des Gerichts gegen Mittag entscheiden, teilte das Verwaltungsgericht Hannover am Vormittag mit. Bei der Landespressekonferenz sagte Polizeipräsident Volker Kluwe, dass das Gericht die Polizeidirektion aufgefordert habe, bis zum Mittag zum Eilantrag der NPD Stellung zu nehmen. Kluwe machte noch einmal deutlich, dass seine Behörde das Verbot auch mit der Gefährdung der Pressefreiheit begründe. Unter anderem werde von Rechtsextremen der Versuch unternommen, durch psychische Gewalt Journalisten einzuschüchtern. (…) Gestern hatte die Polizeidirektion Hannover eine für Sonnabend angemeldete Kundgebung der NPD verboten. Britta Schwarz, Sprecherin der Behörde, sagte dem NDR am Donnerstagabend, Gefahren für Dritte und auch für die Pressefreiheit seien nicht auszuschließen gewesen. Zuvor hatte das Innenministerium mitgeteilt, dass “Erkenntnisse über Aktivitäten in sozialen Medien ein aggressives Bild der geplanten Versammlung zeichneten”. (…) Ebenfalls am Donnerstag hatte das Aktionsbündnis “bunt statt braun”, dem unter anderem die Gewerkschaft ver.di angehört, zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Erwartet werden rund 2.000 Teilnehmer, sagte ein ver.di-Sprecher dem NDR in Niedersachsen. Die Kundgebung werde auf jeden Fall stattfinden…” Meldung vom 22.11.2019 beim NDR, siehe dazu:
- 7500 für die Pressefreiheit: Breites Bündnis protestierte in Hannover gegen einen Aufmarsch der NPD
“… Insgesamt nahmen laut Polizeiangaben 120 Menschen an der Demonstration der NPD in Hannover teil. Nach nd-Schätzungen waren es höchstens 100. Die Demonstration richtete sich gegen »die GEZ und Feldmann«, ein freier Journalist des NDR. Mindestens 7500 Menschen beteiligten sich am Samstag an den Gegenprotesten. Sie hatten eigene Kundgebungen und Demonstrationszüge angemeldet, andere stellten sich den Neonazis am Rande von deren Auftaktkundgebung und Laufstrecke entgegen. (…) Mit einem Aufruf »Schützt die Pressefreiheit« hatten sich in der vergangenen Woche mehr als 500 Journalisten und andere Einzelpersonen, Verbände und Redaktionen hinter ihre Kollegen gestellt. An einer Demonstration unter dem Motto »Bunt statt Braun« beteiligten sich unter anderem Gewerkschaften wie ver.di und die GEW. Auch Fahnen der Grünen und der Jusos waren zu sehen. Unter den rund 7000 Teilnehmern waren auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weill, Innenminister Boris Pistorius und der neu ins Amt gewählte Oberbürgermeister von Hannover Belit Onay. (…) Parallel zur Abschlusskundgebung startete die NPD ihre Demonstration. Kurz darauf wurde sie von Gegendemonstranten am Weiterlaufen gehindert. Die Blockade wurde jedoch bald von der Polizei aufgelöst. Am Sitz des NDR hielt die NPD eine Zwischenkundgebung ab. Redner war unter anderem der »Volkslehrer« Nikolai Nerling aus Berlin, der eine »gesunde Gemeinschaft« anmahnte und die »Abgrenzeritis«, auch zwischen AfD und NPD, kritisierte. Einem Redner hatte das Oberverwaltungsgericht untersagt zu sprechen. Vermutlich handelt es sich dabei um NPD-Bundesvize Thorsten Heise, der dem Journalisten Julian Feldmann bei einer vorigen Gelegenheit mit den Worten drohte: »Der Revolver ist geladen«.” Bericht von Johanna Treblin vom 23.11.2019 beim ND online, siehe dazu:
- 23.11.2019 – Hannover – Demonstration gegen einen Aufmarsch der NPD in Hannover „Bunt statt Braun!“ – NPD-Aufmarsch „Schluss mit steuerfinanzierter Hetze!“
“Am 23.11.2019 sind in Hannover über 8.000 Menschen auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen Neonazis, Rechtspopulismus und zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft zu setzen…” Bildergalerie von PM Cheung bei Flickr - Hannover: Shitstorm für Tweets bei NPD-Demo – jetzt reagiert die Polizei!
“Tweets der Polizei Hannover während der NPD-Demo sorgen derzeit für Wirbel im Netz. Es geht dabei um die polizeiliche Reaktion auf die Vermummung einiger Neonazis während der Demo am Samstag. In einem vieldiskutierten Tweet aus Hannover heißt es, die Polizeibeamten hätten mit den vermummten Personen gesprochen. „Demnach diente die Vermummung nicht zur Verhinderung der Identitätsfeststellung“, so die Polizei bei Twitter. Somit sei den Kollegen nach dem Niedersächsischen Versammlungsgesetz keine rechtliche Handhabe gegeben, darüber hinaus seien keine Störungen erkennbar gewesen. Auf Nachfrage, was die Neonazis der NPD den Beamten erzählt hätten, wozu die Vermummung denn genau diene, antwortete die Polizei Hannover bei Twitter: „Die Teilnehmer gaben an, dass sie nicht auf Bildern der Medienvertretern erkennbar sein wollten.“ (…) Ihren Tweet rechtfertigte die Polizei Hannover am Sonntag gegenüber news38.de: „Sie (die Demonstranten) erwiderten, dass diese ausschließlich dem Schutz der Identität vor ungewollter Veröffentlichung von Portraitaufnahmen durch die die Versammlung begleitenden Pressevertreter dient.“ Die Gesamteinsatzleitung der Polizei habe daraufhin entschieden, die Befreiung der Versammlungsteilnehmenden vom Vermummungsverbot nicht aufzuheben…” Beitrag vom 24.11.2019 bei news38.de - Und die Berichte auf Twitter unter #h2311
- 23.11.2019 – Hannover – Demonstration gegen einen Aufmarsch der NPD in Hannover „Bunt statt Braun!“ – NPD-Aufmarsch „Schluss mit steuerfinanzierter Hetze!“
- Demo am 23.11.19 in Hannover: Journalist*innen gegen Nazis verteidigen
“… die NPD will am kommenden Sonnabend, 23. November, in Hannover gegen Pressefreiheit und Rundfunkbeiträge demonstrieren. Ihr Ziel: drei NDR-Kollegen und weitere Journalist*innen, die kritisch über sie berichtet haben. Die Demo soll sich auch gegen den NDR richten, der die Beiträge seiner Mitarbeiter veröffentlichte. Am Donnerstagabend hat die Polizeidirektion die Nazi-Demo verboten, weil ein Flugblatt mit dem Titel “Rache für Karl” bekanntgeworden war. Mit Karl ist der im Herbst gestorbene Karl M. (96) gemeint, der von einem NDR-Journalisten zu seinen Kriegsverbrechen befragt worden war. Weil dieser und andere kritische Berichte den Rechten nicht gefielen, rufen sie zur Demo gegen zehn namentlich genannte Journalist*innen auf. Gleichzeitig richtet sich ihr Aufruf auch gegen den NDR und Rundfunkgebühren. Es wird erwartet, dass die NPD vor dem Verwaltungsgericht Hannover Widerspruch gegen die Verbotsverfügung einlegen wird. Wie auch immer das gerichtlich ausgehen mag, ver.di hält an der angekündigten Gegendemo fest. Denn: Die persönlichen Bedrohungen gegen demokratische Journalist*innen und ihre Familien haben mit der Namensnennung eine neue Dimension erreicht. Es soll ein Klima der Angst und der Einschüchterung geschaffen werden, das sich gegen die Pressefreiheit und weitere Grundrechte richtet. Immer häufiger nutzen Neonazis auch juristische Mittel, um die Berichterstattung über sie zu verhindern. Selbst wenn ihre Klagen am Ende vor Gericht scheitern, gelingt es ihnen so, die Presse zu behindern. Diesen Neonazis und ihren Einschüchterungsversuchen stellen wir uns entgegen!…” Aufruf der dju Niedersachsen-Bremen– Die zentrale Demonstration des Bündnisses “bunt statt braun” beginnt um 13.30 Uhr am Stephansplatz und endet um 15 Uhr am Aegidientorplatz, wo der neugewählte Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay (Grüne), sprechen wird.
- Neo-Nazis rufen zur Demo gegen Journalisten auf
Text und Video des Beitrags von Lea Struckmeier in der NDR-Sendung ZAPP vom 20.11.2019 - Gegen welche Journalisten Nazi-Banden mobilisieren ist auch klar. Und zu „gegen welche nicht“ gibt es keine Meldungen… Aufruf des Netzwerks Recherche zur Gegenaktion
„… Rechtsextremist*innen, die gezielt gegen öffentlich-rechtliche Medien und einen Journalisten hetzen und sogar eine Demo dazu anmelden, das empfinden in Niedersachsen viele Menschen als krasse Grenzüberschreitung. Am kommenden Samstag planen mehrere Gewerkschaften und antifaschistische Initiativen gegen den angekündigten Marsch der NPD in Hannover verschiedene Aktionen. Es werden über 1.000 Gegendemonstranten erwartet. Seit Wochen hetzt die rechtsextreme Partei im Netz gegen den freien Mitarbeiter des NDR, Julian Feldmann. Der Aufruf zur Kundgebung richtet sich explizit gegen ihn: „Feldmann in die Schranken weisen!“. Diese Bedrohung hat schon eine „neue Qualität“, sagt Feldmann, der auch für das NDR-Magazin „Panorama“ arbeitet. Ein dort ausgestrahlter Bericht über den NS-Kriegsverbrecher Karl Münter aus dem niedersächsischen Nordstemmen hatte in der rechten Szene für Aufregung gesorgt. Feldmann hatte das Interview gemeinsam mit zwei Kollegen im November 2018 geführt. Der damals 96-Jährige Münter hatte darin den Holocaust relativiert und die Opfer eines SS-Massakers verhöhnt..“ – aus dem Beitrag „Der Revolver ist geladen“ von Andreas Speit am 19. November 2019 in der taz onlinezur aktuellen Mobilisierung gegen Nazi-Terror am Wochenende. Siehe dazu auch den Aufruf des Netzwerks Recherche zur Gegenaktion:
- „Aufruf: Schützt die Pressefreiheit!“ vom und beim Netzwerk Recherche am 15. November 2019
unterstreicht: „… Rechtsextreme hassen Menschen, die über ihre Veranstaltungen, Vereine, Parteien und Straftaten berichten. Die Kollegen Julian Feldmann, David Janzen und André Aden arbeiten seit über zehn Jahren als freie Journalisten und sind, wie so viele, ins Fadenkreuz der braunen Szene geraten. Der Hass auf die Kollegen geht so weit, dass sie regelmäßig Morddrohungen erhalten. Ein hochrangiger Neonazi-Kader sprach auf mehreren Veranstaltungen über Julian Feldmann und erwähnte dabei einen Revolver, der schon bereit liege. David Janzen wurde von einem bekannten Braunschweiger Neonazi mit den Worten “Heute Walter [Lübcke, Anm. d. V.], morgen Janzen” bedroht. Diesen Drohungen folgen Taten, auf Janzens Privatwohnung gab es dieses Jahr bereits mehrere Anschläge. Von zahlreichen Rechtsextremismus-Expert*innen sammeln Neonazis derzeit Bilder, öffentliche sowie private Daten. In Telegram-Gruppen der Szene wurde ein entsprechender Aufruf verbreitet. Offenbar wird ein breit angelegtes Doxxing vorbereitet, zum Schaden der Kolleg*innen. Angriffe auf Journalist*innen und Eingriffe in deren Privatleben sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Bei Szene-Veranstaltungen werden Journalist*innen regelmäßig Opfer rechter Gewalt. Die NPD-Demonstration in Hannover ist der nächste Schritt, um Kollegen das Leben zur Hölle zu machen. Auch neurechte Kleinstgruppen organisieren Angriffe auf die freie Berichterstattung. In zahlreichen Texten werden Journalist*innen verächtlich gemacht und denunziert. Kritische Journalist*innen werden mit kostenintensiven Unterlassungserklärungen, Klagen und Anzeigen überzogen. Fotos von Kolleg*innen werden über Szene-Medien gezielt verbreitet und zur Markierung potentieller Angriffsziele benutzt…“ – mitzeichnen unter info@netzwerkrecherche.de (LabourNet Germany hat bereits!)
- Schützt die Pressefreiheit!
“Gegen die freien Journalisten Julian Feldmann, David Janzen und André Aden wollen Hunderte Neonazis am 23.11.2019 in Hannover demonstrieren. Als Journalist*innen und Medienschaffende verurteilen wir die Drohungen und Anschläge auf unsere Kollegen. Wir rufen mit dazu auf, sich an den Protesten gegen die Demonstration zu beteiligen und fordern Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit. 450 Einzelpersonen, 20 Verbände und 17 Redaktionen haben den Aufruf bereits unterzeichnet…” dju-Meldung vom 15. November 2019 - Aufruf des Bündnisses “bunt statt braun” Hannover zur
Gegendemo am 23.11.2019 um 13:30 auf dem Geibelplatz in Hannover
- 7500 für die Pressefreiheit: Breites Bündnis protestierte in Hannover gegen einen Aufmarsch der NPD
- Strategie der Einschüchterung: Wenn Journalisten bedroht werden
“… „Wir töten dich“ stand im Juni an der Haustür des Journalisten David Janzen, der seit Jahren über die rechte Szene recherchiert und zugleich Sprecher des Braunschweiger „Bündnisses gegen Rechts“ ist. Ein Aufkleber führte die Polizei zu einer Gruppe von Neonazis. „Monitor“-Chef Georg Restle erhielt im Juli nach einem AfD-kritischen Kommentar in den „Tagesthemen“ eine verschlüsselte Mail mit einem Aufruf zum Mord an ihm. Zwei Morddrohungen innerhalb kürzester Zeit: Werden Journalisten zunehmend zur Zielscheibe von extremistischen Gewalttätern? Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), sagt: „Aus unserer täglichen Beratungsarbeit wissen wir: Bedrohungen sind keine Einzelfälle. Es sind viele.“ Im Netz schlagen die Wellen bei Themen wie Migration und Integration hoch, Beleidigungen und Verleumdungen gehören seit Jahren zum Alltag. (…) Auch „Reporter ohne Grenzen“ registrierte für 2018 eine Zunahme an gewalttätigen Angriffen auf Journalisten in Deutschland: Insgesamt seien es 22 im Vergleich zu 16 im Vorjahr gewesen. (…) Eine Umfrage bei ARD, ZDF, der RTL Group, ProSiebenSat1 sowie den Verlagen Axel Springer und „Spiegel“ ergab, dass die Medienhäuser regelmäßig Strafanzeigen stellen – vor allem wegen Beleidigung. (…) Konkrete Angaben machten lediglich RBB, MDR und HR. Der RBB stellte seit 2014 elf Strafanzeigen wegen einer Bedrohung oder wegen einer Körperverletzung, der MDR zehn Anzeigen in diesem Jahr, vier davon wegen Bedrohung, beim HR waren es im Schnitt fünf Anzeigen, nicht nur wegen Bedrohung. Aber: „Bislang kam es zu keinem Prozess“, teilte der HR mit. Und auch bei RBB und WDR liegen keine Erkenntnisse über rechtskräftige Urteile vor. In drei der vier vom MDR angezeigten Bedrohungsfälle laufen die Ermittlungen noch, ein Verfahren sei eingestellt worden, erklärte der Sender. Immerhin macht das Projekt „Verfolgen statt nur löschen“ – 2017 auf Initiative der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen ins Leben gerufen – mittlerweile in mehreren Bundesländern Schule, etwa in Berlin, Bremen und im Saarland. Dabei kooperieren Medienhäuser mit den Ermittlern der „Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen“ und melden Hasskommentare und seit kurzem auch Bedrohungen gegen Einzelne. (…) Gleichzeitig hat die Gewaltbereitschaft zugenommen. Davon berichten nicht nur die Journalisten-Gewerkschaften. „Es gibt in den letzten drei Jahren einen klaren Trend: Bei rechtsgerichteten Demos kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, bei denen Reporter und Kameraleute körperlich attackiert werden. Dabei muss man zunehmend auch mit Personenschäden rechnen“, sagt Gunnar Rechenburg, Leiter des „Sicherheitsmanagements Reise“ bei der Deutschen Welle (DW), das die Reisen der Reporter vorbereitet und absichert…“ Artikel von Thomas Gehringer vom 02.10.2019 beim MIGAZIN
- Sechs Vereinigungen von Medienschaffenden im offenen Brief an Bundesinnenminister Seehofer: Sorgen Sie für unsere Sicherheit!
“Meldungen darüber, dass Journalist*innen von Rechtsextremisten bedroht werden, häufen sich. Sechs Vereinigungen von Medienschaffenden wenden sich in einem offenen Brief an den Bundesinnenminister und fordern ihn auf, Vorkehrungen für ihre Sicherheit zu treffen. Eine Entwarnung wegen einzelner ‚Todeslisten‘ reiche nicht. Die Pressefreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Doch immer mehr Kolleg*innen fühlen sich bedroht. Sie erleben in ihrem Arbeitsalltag Hass, Anfeindungen und Drohungen. Seit neuestem ist bekannt, dass rechtsextreme Akteur*innen sogenannte ‚Todeslisten‘ führen. In Anbetracht der erwiesenen Tatsache, dass Medien ein besonderes Feindbild und Hassobjekt vieler Rechtsextremer sind, ist es unabdingbar, dass die Sicherheit von Medienschaffenden gewährleistet wird, damit wir unseren Beruf ungehindert ausüben können. Den Sicherheitsbehörden liegen Listen mit Angriffszielen vor. Die betroffenen Kolleg*innen sind jedoch nur in Einzelfällen informiert worden. (…) Unter Berufung auf den Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention – die Verpflichtung des Staates, Leben zu schützen – fordern wir das Innenministerium auf, für die Sicherheit von Journalist*innen in diesem Lande zu sorgen. Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beinhaltet es die Bringschuld der Behörden, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um eine identifizierte Person zu schützen, deren Leben durch kriminelle Akte einer anderen Person gefährdet ist. Dazu zählt zum Beispiel eine unkomplizierte Auskunftssperre für Privatadressen im Melderegister. In einigen Bundesländern müssen Medienschaffende erst eine akute Gefahr für Leib und Leben nachweisen, damit eine Auskunftssperre erfolgt – doch dann könnte es bereits zu spät sein, um sich zu schützen…” Offener Brief an Bundesinnenminister Seehofer vom 28. August 2019 bei der djuund bei den Neuen deutschen Medienmacher*innen
und dazu:
- Journalistin über rechtsextreme Listen: „Konsequent durchgreifen“
“Rechtsextreme sammeln Informationen über ihre Gegner. Sheila Mysorekar erklärt, warum Organisationen von Innenminister Seehofer Aufklärung verlangen…” Interview von Daniel Kretschmar vom 28.8.2019 bei der taz online - Journalisten schreiben Offenen Brief an Seehofer „Presse ist Hass-Objekt von Rechtsextremen“
“Journalisten stehen häufig auf Feindeslisten von Neonazis. Medien-Organisationen verlangen von Innenminister Seehofer, mehr die Sicherheit der Presse zu tun. Nach immer neuen Berichten über Bedrohungen von Journalisten durch Rechtsextreme haben Medien-Organisationen von Bundesinnenminister Horst Seehofer Konsequenzen verlangt. Sie fordern zum einen, Betroffene über mögliche Gefahren durch “Todeslisten” oder “Feindeslisten” zu unterrichten – und zum anderen, unkomplizierte Auskunftssperren im Melderegister zu ermöglichen. Die Organisationen, unter ihnen der Deutsche Journalistenverband, die zu Verdi gehörende Deutsche Journalisten-Union und die Neuen deutschen Medienmacher, richten einen umfangreichen Fragenkatalog an die CSU-Politiker: Könne er versichern, dass jede Person, deren Name auf solchen Listen stehe, auf Anfrage Auskunft darüber und Empfehlungen für ihre Sicherheit erhalte, wird in dem Offenen Brief gefragt. “Werden Einzelpersonen proaktiv informiert, falls konkrete Lebensgefahr besteht?” Auch nach der Gefährdung von Journalisten-Organisationen erkundigen sich die Unterzeichner des Schreibens, zu denen auch Krautreporter, das Netzwerk Recherche und das Kollektiv “Peng!” gehören…” Artikel von Matthias Meisner vom 28.8.2019 beim Tagesspiegel online - Siehe dazu auch unser Dossier: Feindeslisten der Rechtsextremen: »Bagatellisierung von Seiten der Behörden«
- Journalistin über rechtsextreme Listen: „Konsequent durchgreifen“
- Mehr Drohungen von rechts gegen Journalisten /Morddrohung gegen Georg Restle
“Gewalt, Mobbing, Todesdrohungen: Journalisten, die über Rechtsextremisten berichten, müssen einiges aushalten. Einem Journalistenverband zufolge gibt es immer mehr Angriffe. Sinkt nach dem Mord an Regierungspräsident Lübcke die Hemmschwelle weiter? Erst am Freitag wurde bekannt, dass der Westdeutsche Rundfunk eine Strafanzeige gestellt hat – wegen einer Morddrohung gegen Georg Restle, dem Leiter der WDR-Redaktion “Monitor”. Restle hatte am 11. Juli in einem Kommentar für die “Tagesthemen” die AfD kritisiert und sie als “parlamentarischen Arm” der Identitären Bewegung bezeichnet. “Das Schreiben ist dem Anschein nach dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen”, erklärte eine WDR-Sprecherin. Ob der WDR Anzeige gegen Unbekannt oder eine Person gestellt hat und was genau der Inhalt des Drohschreibens war, darüber wurde zunächst nichts bekannt. Die Morddrohung gegen Restle ist kein Einzelfall. Die meisten der Übergriffe auf Medienschaffende sind dem rechten Spektrum zuzuordnen. Laut dem Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit hatten im letzten Jahr von insgesamt 26 Übergriffen 22 einen rechtsextremen Hintergrund. Laut Cornelia Berger, Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, gibt immer mehr Angriffe. In vielen Fällen werde zu deutlich härteren Mitteln gegriffen als noch vor ein paar Jahren…” Artikel von Jonas Schneider vom 21.07.2019 beim Bayerischen Rundfunk- WDR stellt Strafanzeige wegen Morddrohung
“Nach einer Morddrohung gegen den Leiter der Redaktion „Monitor“, Georg Restle, hat der WDR Strafanzeige erstattet. Das Schreiben ist dem Anschein nach dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. WDR-Intendant Tom Buhrow: „Dass es eine Morddrohung gegen einen unserer Journalisten gibt, entsetzt und erschüttert mich. Wir tun alles, um unseren Kollegen – wie alle anderen auch – zu schützen und ihn zu unterstützen. Georg Restle ist ein ausgezeichneter investigativer Journalist, der die politische Landschaft in Deutschland kritisch begleitet. Perfide Drohgebärden dieser Art werden uns nicht davon abhalten, unseren Job als Journalisten zu machen. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind ein hohes Gut. Wer das nicht akzeptiert, ist ein Feind der Demokratie.“…” WDR-Mitteilung vom 19.7.2019
- WDR stellt Strafanzeige wegen Morddrohung
- Resolution der Deutschen Presse-Agentur: „Journalisten sind schützenswert“
“Der Aufsichtsrat der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hat in einer ResolutionGewalt gegen Journalisten verurteilt und gleichzeitig besseren Polizeischutz eingefordert. Das Gremium beklagt in dem Text eine „massive Zunahme von persönlichen Anfeindungen, ehrverletzenden Beschimpfungen und auch körperlichen Angriffen auf Bildberichterstatter und Reporter der Agentur insbesondere in Ostdeutschland, aber auch in Regionen Westdeutschlands“. Es habe sehr viele Anlässe für die Resolution gegeben, sagte dpa-Chefredakteur Sven Gösmann im Dlf. Tätliche Angriffe auf dpa-Journalisten seien inzwischen „eine nahezu wöchentliche Erfahrung“, vor allem im Osten Deutschlands. Gewalttätige Demonstrationen von Linken und Rechten seien schon immer gefährlich gewesen. „Es gibt aber eine Entwicklung, die seit vielen Jahren so ist, dass der öffentliche Raum generell von Gewalt erobert wird, speziell im Umfeld von Demonstrationen von Pegida, AfD und anderen rechtsgerichteten Organisationen Deutschlands.“ (…) Gösmann forderte von den Sicherheitsbehörden, bei öffentlichen Ereignissen stärker als bisher einzuschreiten, um die im Grundgesetz garantierte Freiheit der Berichterstattung zu schützen …“ Gespräch von Henning Hübert mit Sven Gösmann vom 06.12.2018 auf Deutschlandfunk
- Messerattacke auf Journalisten in Naumburg
“Ein freier Mitarbeiter des Naumburger Tageblatts wurde Opfer eines Messerangriffs durch Jugendliche. Dabei hatte er Glück im Unglück. Seine Zeitung, das Naumburger Tageblatt, schilderte gestern [Jugendliche attackieren Naumburger: Messerstich in den Bauch und Hitlergruß], was dem freien Mitarbeiter passierte. Am Freitagabend stellten sich drei Jugendliche auf einem Supermarktparkplatz vor das Auto des Journalisten. “Einer spuckt Richtung Wagen und zeigt den Stinkefinger”, heißt es in dem Bericht. Der Kollege “will wissen, warum und läuft dem Trio hinterher – was ihm zum Verhängnis wird”. Als er die Gruppe einholt, versucht er, die Jugendlichen zur Rede zu stellen, als ihm plötzlich einer von ihnen in den Bauch schlägt. “Ein anderer zeigt den Hitlergruß. Was er nicht bemerkt, ist, dass der Schläger ein Messer benutzt hat.” Er trägt eine sechs Zentimeter lange Stichwunde davon. Im Krankenhaus stellen die Ärzte fest, dass zum Glück keine Organe getroffen wurden. Bewundernswert ist der Mut des Kollegen, der sich nicht einfach grundlos beleidigen lassen will. Zu Recht hofft er darauf, dass die Polizei die Jugendlichen fasst. An Überwachungskameras dürfte vor dem Supermarkt kein Mangel bestanden haben. Eine Messerattacke auf einen Journalisten ist kein Kavaliersdelikt!“ Ein Kommentar von Hendrik Zörner vom 02.10.2018 im DJV-Blog
- Siehe auch vom 10. Mai 2018: Spendenaufruf: Neonaziangriff auf investigative Journalisten
Der Beitrag Immer mehr rechte Übergriffe auf Journalisten erschien zuerst auf LabourNet Germany.