Dossier
“Bereits seit dem 16. März sind Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes täglich im gesamten Stadtgebiet im Einsatz, um die zur Eindämmung des Coronavirus getroffenen Maßnahmen und Regelungen zu überprüfen und durchzusetzen. Unterstützt wird die Stadt hierbei selbstverständlich von den Kräften der Polizei. Um auch weiterhin arbeitsfähig zu bleiben, engagiert die Stadt Bad Salzuflen zusätzlich einen privaten Sicherheitsdienst. Ab sofort wird die Firma Wachschutz Bielefeld Kontrollen im Stadtgebiet vornehmen. Jeder Mitarbeiter ist mit einem Ausweisdokument der Stadt Bad Salzuflen ausgestattet und ist an der Dienstkleidung des Wachschutzes Bielefeld zu erkennen. Bei den Kontrollen geht es darum, Menschenansammlungen zu verhindern, zu überprüfen, ob bestimmte Geschäfte geschlossen sind oder die angeordneten Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. (…) Der Sicherheitsdienst wurde beauftragt gegebenenfalls notwendige Personalien aufzunehmen, bei Bedarf erhalten die Sicherheitsleute hierbei Unterstützung von der Polizei. Eine tägliche Dokumentation sowie die Aufnahme von Personalien ermöglicht es dem Ordnungsamt jeden Fall zu prüfen. Ob ein Bußgeld verhängt wird, entscheidet weiterhin das Ordnungsamt.” Mitteilung der Stadt Bad Salzuflen
(ohne Datum) – siehe auch:
- Olching: Sicherheitsdienst soll am Markt kontrollieren
“Der Olchinger Hauptausschuss stimmt für eine Änderung der Satzung. Demnach sollen Vergehen gegen Coronaregeln stärker bestraft werden. Ingrid Jaschke von den Grünen zieht einen Blockwart-Vergleich. “Hier wird im Schweinsgalopp mit drakonischen Strafen die Gunst der Stunde genutzt”, hob Grünen-Fraktionsvorsitzende Ingrid Jaschke sofort kräftig an. Gegenstand im Hauptausschuss des Olchinger Stadtrates war die Änderung der Marktsatzung auf Antrag der CSU. Die hatte verlangt, ähnlich wie am Olchinger See und am Grünanger im Schwaigfeld, dass angesichts der Coronagefahr auch an Markttagen am Nöscherplatz Identitätsfeststellungen durch den dort tätigen Sicherheitsdienst erfolgen und bei vorsätzlichen Vergehen – zum Beispiel der Verweigerung, eine Maske zu tragen – Bußgelder bis zu 2500 Euro verhängt werden sollen. Eine Mehrheit von acht zu drei Stimmen, samt Bürgermeister Andreas Magg (SPD), stimmte dann auch für die Änderung der Marktsatzung, wie von der CSU gefordert. (…) Auch Ulrike Girtner (FDP) stimmte gegen die Neufassung der Marktsatzung. “Kennen Sie Leute vom Sicherheitsdienst, die dann Identitätsfeststellungen vornehmen sollen?, fragte sie in die Runde. “Da kommt einem das Grausen.” Sie bestand darauf, dass das allein Sache der Polizei sei…” Artikel von Karl-Wilhelm Götte vom 20. September 2020 im München-Teil der Süddeutschen Zeitung online - Privatisierung der Sicherheit: Potsdam hält Auftrag an Security geheim – FragDenStaat klagt
“Die Stadt Potsdam ließ die Einhaltung der Corona-Maßnahmen von einer privaten Sicherheitsfirma kontrollieren. Wen sie mit den hoheitlichen Aufgaben betraut hat, will sie aber nicht verraten – angeblich, weil das Unternehmen das nicht will. Wir verklagen die Stadt. (…) Während die meisten Menschen sich an die Vorgaben hielten, gab es immer wieder Berichte über Verstöße gegen die behördlichen Vorgaben. Aber auch mancher Hoheitsträger hat womöglich gegen geltendes Recht verstoßen. So ließ unter anderem die Stadtverwaltung Potsdam eine Security-Firma in der Stadt Streife fahren, um die Einhaltung der Corona-Maßnahmen kontrollieren zu lassen. Damit übertrug die Stadt womöglich hoheitliche Aufgaben an ein privates Unternehmen – ohne zuvor eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen zu haben. Die Stadt Potsdam könnte auf diese Weise verfassungsrechtliche Regelungen missachtet haben – insbesondere, wenn die Firma Platzverweise durchführen sollte. Gerichte haben, etwa im Zusammenhang mit Parkkontrollen, wiederholt geurteilt, dass sich Behörden zur Aufgabenerfüllung im Bereich der „öffentlichen Sicherheit“ nicht ohne weiteres privater Dienstleister bedienen können. Grund dafür ist das sogenannte staatliche Gewaltmonopol. Es besagt unter anderem, dass Maßnahmen, welche persönliche Freiheiten beschränken, in der Regel nur vom Hoheitsträger selbst vorgenommen werden dürfen. Aufklären können wir die genauen Umstände der Beauftragung der Security-Firma derzeit allerdings nicht, denn die Stadt hält Details dazu geheim. Mit Verweis auf angebliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Firma sowie Urheberrechte will Potsdam den Vertrag zu den Corona-Maßnahmen unter Verschluss halten. Noch nicht einmal den Namen der Sicherheitsfirma will die Stadt herausgeben. Der vorgeschobene Grund dafür: Datenschutz…” Beitrag von Arne Semsrott vom 20. Juli 2020 bei FragDenStaat
- Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Wie private Sicherheitsdienste in der Corona-Krise rechtswidrig für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen
“In zahlreichen deutschen Städten und Gemeinden werden private Sicherheitsdienste von den Kommunalverwaltungen beauftragt, um Einschränkungen wie Kontaktverbote aufgrund der Corona-Pandemie zu kontrollieren. Ähnlich wie Polizei und Ordnungsämter bestreifen Mitarbeiter/-innen von Sicherheitsfirmen den öffentlichen Raum, sprechen dabei Verfehlungen der Bürger/-innen an und lösten bisher gar Personenansammlungen auf. Mancherorts beließen es die Mitarbeiter/-innen der Dienstleister nicht nur bei Ansprache und Ermahnung sondern stellten die Personalien der Bürger/-innen fest und brachten die Corona-Verstöße, zwecks Einleitung von Bußgeldverfahren, zur Anzeige. Dabei wurde bisher nach dem Motto verfahren: “Der Zweck heiligt die Mittel“, weil den Mitarbeiter/-innen privater Sicherheitsdienste generell keine hoheitlichen Eingriffsbefugnisse wie Identitätsfeststellungen oder Platzverweisungen zustehen; die Übertragung hoheitlicher Befugnisse ist auch im Rahmen von kommunalen Beauftragungen nicht möglich. (…) Auf ein “Machtwort“ der Kommunalaufsicht im Bereich der Regierungspräsidien wartet man in dieser Sache wohl vergebens. Für die Sicherheitswirtschaft bietet die Corona-Krise die Möglichkeit sich gegenüber Polizei und Ordnungsämtern zu profilieren und sich aufzuwerten. “Police private partnerships“ sind für das Sicherheitsgewerbe für künftige und lukrative Beauftragungen durch die öffentliche Hand – an der Seite der Sicherheitsbehörden – von großer Bedeutung.” Artikel von Jürgen Korell und Thomas Brunst vom 11. Mai 2020 – wir danken! - Stadt Borgholzhausen fährt strengen Kurs bei Corona-Bußgeldern [durch Sicherheitsdienst]
“… Immerhin 63 Bußgelder hat die Stadt bislang wegen Verstößen gegen das Kontaktverbot verhängt – darunter befinden sich sogar zwei Wiederholungsfälle. Damit kommt Pium zwar nicht an Steinhagen (83 Verfahren bis zum 1. Mai) heran, liegt aber deutlich vor Versmold (13 bis Anfang Mai) und sogar Bielefeld (25 bis vor einer Woche). Einige Anzeigen kommen von der Polizei, ansonsten wurden sie ausschließlich von einem Sicherheitsdienst eingeleitet, den das Ordnungsamt mit der Kontrolle abends und am Wochenende beauftragt hatte. „Das Ordnungsamt selbst hat auf seinen gelegentlichen Streifgängen zu den Dienstzeiten keine Bußgelder verhängt”, betont Speckmann. Doch sei auch der Sicherheitsdienst mit Augenmaß vorgegangen und habe es in weniger schwerwiegenden Fällen bei einer Ermahnung belassen…” Artikel von Marc Uthmann vom 09.05.2020 im Haller Kreisblatt online– bei der hier geschilderten public private security wird wohl massiv gegen geltendes Recht verstoßen (unerlaubte Personalienfeststellung, Amtsanmaßung –> “Beweiserhebungsverbot” OLG Frankfurt/Main v. 20.01.20). Auch hierzu hört man nichts dazu von der Kommunalaufsicht…
- Und so sieht “public private security“ in der Praxis aus: “… Wie die Polizei am Sonntagmorgen mitteilte, entdeckten am Samstagabend Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes in Sonneberg zehn Jugendliche, welche sich im Stadtzentrum getroffen hatten. Da sie sich weigerten, den Security-Mitarbeitern Angaben zu ihren Personalien zu machen, musste die Polizei eingreifen…“ (insuedtueringen.de, 05.04.20
) – Das sollten sich die Privaten mal z. B. in Berlin oder Hamburg wagen – es würde handfeste Auseinandersetzungen geben. Deswegen läuft so etwas – Corona-Berufsdenunziantentum – auch nur in Städten bis zu einer bestimmten Größe und dem ländlichen Raum. Ach ja, mit Jugendlichen kann man es ja auch machen, frei nach dem Motto: Je geringer die Beschwerdemacht bzw. der soziale Status des Individuum ist, desto schneller überschreiten private Sicherheitskräfte ihre eng gesteckten Rechte. Und die Polizei? Die versteht gar nicht, warum das Handeln (Verlangung der Personalien) des privaten Sicherheitsdienstes ungesetzlich sein soll. Erst am 20.01.2020 urteilte das Frankfurter Oberlandesgericht, dass eine Übertragung hoheitsrechtlicher Aufgaben auf private Sicherheitsdienste bei der derzeitigen Rechtslage nicht möglich ist…
- Hoheitliche Befugnisse für privaten Sicherheitsdienst in Empfingen (BAWü) wegen der Corona-Pandemie.
“Im Baden-Württembergischen Empfingen soll wegen der Corona-Pandemie ein privater Sicherheitsdienst Polizei und Ordnungsamt bei der Kontrolle der BürgerInnen unterstützen. Dafür wurden MitarbeiterInnen einer örtliche Sicherheitsfirma, durch die Stadtverwaltung, mit hoheitlichen Befugnissen (z. B. Identitätsfeststellungen, Platzverweisungen) beliehen; eine ungewöhnliche Maßnahme wie Bürgermeister Ferdinand Truffner zugibt und ein “ein Novum im Kreis Freudenstadt“. (…) Wenn der private Sicherheitsdienst direkt mit der Baden-Württembergischen Landespolizei zusammenarbeitet, handelt es sich um ein “police private partnership“. Bei der Wahrnehmung hoheitlicher Sicherheits- und Ordnungsaufgaben durch private Sicherheitsdienste wird zudem von “public private security“ gesprochen. Das staatliche Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland und der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz sehen derartige Beleihungen von “Privaten“ nicht vor. Alleine Amtsträgern (Polizeibeamte, Hilfspolizeibeamte) stehen hoheitliche Eingriffsbefugnisse nach deutschen Recht zu. (…) Die Maßnahmen richteten sich dementsprechend nicht gegen die Einheimischen sondern zum Schutz der Einheimischen. Mit anderen Worten ein Rechtsverstoß gegen Fremde ist zu tolerieren. Und so gibt es an der Empfinger “public private security“ keinerlei öffentliche Kritik – weder von der zuständigen Kommunalaufsicht noch von einer bürgerrechtlichen Organisation. (…) Ein privater Sicherheitsdienst, der im öffentlichem Raum einen Platzverweis erteilt, greift nachhaltig in die Freiheitsrechte der BürgerInnen ein und das darf auch nicht für die EinwohnerInnen aus Horb oder Haigerloch geschehen.” Artikel von Jürgen Korell und Thomas Brunst vom 28.3.2020
Siehe zum Hintergrund auch
- unser Dossier: Die Gesundheitsdiktatur. Notstand wegen dem Corona-Virus verlangt nach Wachsamkeit gegenüber dem Staat
- und das Dossier: Wer kontrolliert die Polizei, die uns bei den diversen Ausgangssperren kontrollieren soll?
Der Beitrag Nicht nur in Bad Salzuflen: Sicherheitsdienst unterstützt die Stadt bei Corona-Kontrollen erschien zuerst auf LabourNet Germany.