“Es handelt sich um die erste soziale Bewegung mit einer gewissen Dynamik seit der Sommer‑, wenn nicht der Coronapause 2020: Die französische Lehrer/innen und mit ihr die Oberschüler/innen-Schaft ist in Bewegung geraten. Und für kommenden Dienstag, den 10. November kündigt sich ein zumindest in einigen Landesteilen wohl gut befolgter Streiktag an, nachdem bereits in der laufenden Woche örtlich (etwa im Département Val-de-Marne, das die südöstlich von Paris liegenden Vorstädte umfasst) einige „Streiknester“ zu verzeichnen waren. Grund für den Unmut und die Arbeitsniederlegungen sind die mangelnden Hygiene-Vorkehrungen und das chaotische Krisenmanagement in Corona-Zeiten, das die Regierung unter Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Jean Castex betreffen den Corona-Schutz an staatlichen Schulen an den Tag legen. (…) Diese Situation und der Unmut darüber bildeten zu Wochenbeginn den Auslöser für erste, zunächst lokal begrenzte Streiks.Die französische wirtschaftsliberale Regierung, darunter Bildungsminister Jean-Michel Blanquer – eines ihrer am stärksten konservativ geprägten Mitglieder -, vollzog in den letzten Stunden einen Rückzieher, indem am Freitag früh bekannt wurde, dass zum Zwecke des Corona-Schutzes in den Oberstufenklassen nunmehr doch Unterricht mit „halben Klassen“ (d.h. die Hälfte per Online-Unterricht und die Hälfte im Präsenzunterricht) zugelassen werden soll. Was jedenfalls im Augenblick aber das Ankündigungs-Durcheinander nur noch verstärkt…” Artikel von Bernard Schmid vom 6.11.2020 – wir danken! – siehe dazu (auch zur Polizeirepression gegen die Bewegung) einige Grundinformationen im Beitrag:
Frankreich: Erste durchschlagende soziale Bewegung seit der Corona-Pause:
Schulstreik gegen mangelnde Hygiene-Vorkehrungen nimmt an Dynamik zu
Es handelt sich um die erste soziale Bewegung mit einer gewissen Dynamik seit der Sommer‑, wenn nicht der Coronapause 2020: Die französische Lehrer/innen und mit ihr die Oberschüler/innen-Schaft ist in Bewegung geraten. Und für kommenden Dienstag, den 10. November kündigt sich ein zumindest in einigen Landesteilen wohl gut befolgter Streiktag an, nachdem bereits in der laufenden Woche örtlich (etwa im Département Val-de-Marne, das die südöstlich von Paris liegenden Vorstädte umfasst) einige „Streiknester“ zu verzeichnen waren.
Grund für den Unmut und die Arbeitsniederlegungen sind die mangelnden Hygiene-Vorkehrungen und das chaotische Krisenmanagement in Corona-Zeiten, das die Regierung unter Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Jean Castex betreffen den Corona-Schutz an staatlichen Schulen an den Tag legen. Während in Frankreich am Freitag, den 30. Oktober 20 ein neuer allgemeiner Lock-down begann (anderthalb Wochen, nachdem auf über der Hälfte des Staatsgebiets eine nächtliche Ausgangssperre ab 21 Uhr und bis sechs Uhr früh in Kraft getreten war), entschied die Regierung sich jedoch dazu, alle öffentlichen Schulen offen zu halten.
Im Unterschied zum ersten Lock-down, welcher in Frankreich vom 17. März bis 10. Mai 2020 herrschte, „dürfen“ – also müssen – auch die allermeisten Lohnabhängigen arbeiten, mit Ausnahme des Kultursektors und den Beschäftigten in Buchläden, Bars und Restaurants und einigen Geschäften, die geschlossen werden mussten. (Was wiederum zu zahlreichen Widersprüchen führte: Alle Buchläden mussten bis mindestens Ende November d.J. dichtmachen, doch Buchverkauf in Supermärkten durfte stattfinden, bis – unter riesigem sozialem Druck – auch Letzterer eingestellt werden musste, mit dem Argument, dass die Supermärkte nicht kleine Buchläden kaputt konkurrieren dürften.)
Die Schulen dienen dabei wiederum im Wesentlichen als „Stütze“, in dem Sinne, dass sie funktionieren sollen, damit den Eltern das (Lohn-) Arbeiten möglich bleibt, weil sie sich nicht um ihre minderjährigen Kinder zu Hause kümmern müssen. Nun gibt es ansonsten, daneben auch pädagogische, schulbezogene Argumente betreffend die Problematik, dass Online-Unterricht per Zoom, Go to Meet usw. – wie er während des ersten Lock-downs im Frühjahr 2020 weit verbreitet war – auch nicht das Gelbe vom Ei ist und Schüler/innen in Familien mit schlechterer technologischer Ausstattung ausgeschlossen oder abgehängt zu werden drohen. Doch in den Augen der Regierung stand und steht ganz offenkundig das „Eltern-müssen-arbeitsfähig-sein“ im Vordergrund. Denn die angekündigte pädagogischen Konzepte in Corona-Krisenzeiten sucht man vergeblich.
Vor allem aber Photographien aus vielen Schulkantinen vom Beginn dieser Woche, die – am Montag, den 02. November – den Wiederbeginn des Unterrichts nach den vierzehntägigen Herbstfeiern markierten und die ein völlig heilloses Gedränge zeigten, ließen Schüler/innenverbände und Lehrer/innen-Gewerkschaften die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Auf Seiten der Lehrkräfte kam hinzu, dass ein unwürdiges Hin-und-Hergeschiebe herrschte, was das für diesen Montag (02. November) zunächst angekündigte Gedenken an öffentlichen Schulen für ihren ermordeten Lehrerkollegen Samuel Paty betrifft. (Vgl. zum Mord an Samuel Paty, verübt am 12. Oktober d.J. durch einen jungen Jihadisten, ausführlich hier: http://trend.infopartisan.net/trd1120/t251120.html ) Zunächst hieß es, um die Teilnahme an Gedenkversammlungen zu ermöglichen, solle am ersten Schultag – 02.11.20 – der Unterricht erst um zehn Uhr aufgenommen werden. Dann wurde die Ankündigung abgeändert: Allgemeiner Schulbeginn solle um acht Uhr sein, doch mit Themenstunden oder Gedenkveranstaltungen in allen schulischen Einrichtungen. Dann wiederum wurde dieses Vorhaben sang- und klanglos annulliert: Zu viele Personen könnten sich drängen, aufgrund der Corona-Krise sehe man Schüler/innen und Lehrkräfte doch lieber… einfach im Unterricht. All diese Ankündigungen erfuhren die Lehrer/innen, und ebenso die Eltern, in der Regel aus dem Fernsehen und nicht von den für ihre Belange zuständigen Schulbehörden. Weswegen Bildungsminister Jean-Michel Blanquer auch alsbald als TV- und nicht Schul-Minister wahrgenommen wurde.
Diese Situation und der Unmut darüber bildeten zu Wochenbeginn den Auslöser für erste, zunächst lokal begrenzte Streiks.
Die französische wirtschaftsliberale Regierung, darunter Bildungsminister Jean-Michel Blanquer – eines ihrer am stärksten konservativ geprägten Mitglieder -, vollzog in den letzten Stunden einen Rückzieher, indem am Freitag früh bekannt wurde, dass zum Zwecke des Corona-Schutzes in den Oberstufenklassen nunmehr doch Unterricht mit „halben Klassen“ (d.h. die Hälfte per Online-Unterricht und die Hälfte im Präsenzunterricht) zugelassen werden soll. Was jedenfalls im Augenblick aber das Ankündigungs-Durcheinander nur noch verstärkt.
Zu Beginn der kommenden Woche werden wir unsere Leser/innen über Vorbereitung und Durchführung dieses Streiktags zeitnahe informieren!
Artikel von Bernard Schmid vom 6.11.2020 – wir danken!
Siehe dazu auch:
- Gesundheitsnotstand Schule: In Frankreich streiken Lehrer gegen schlechte Hygienekonzepte für Bildungseinrichtungen
“Blockierte Schuleingänge, streikende Lehrer, Schüler, die Flugblätter verteilen und Banner aufhängen. Auch an diesem Donnerstag wurde in mehreren Regionen Frankreichs gegen Coronabestimmungen für Bildungseinrichtungen der Regierung protestiert. Kritisiert wird das »verstärkte Hygieneprotokoll« des Bildungsministers Jean-Michel Blanquer dafür, dass nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. »Die Richtlinien des Konzepts können hier nicht durchgesetzt werden«, beklagte eine Lehrerin im Pariser Vorort Saint-Denis gegenüber dem Nachrichtensender BFM TV am Donnerstag morgen. »Wir haben über 2.000 Schülerinnen und Schüler, die Abstandsregeln können unmöglich eingehalten werden. Wir haben Angst, dass sich unsere Einrichtung zu einem Ansteckungsherd entwickelt.« Schon seit Beginn der Woche und dem Inkrafttreten des zweiten Lockdowns befinden sich immer mehr Lehrkräfte im Streik. Initiiert hat das ein breites Bündnis von Gewerkschaften, darunter die CGT, Force ouvrière sowie SNES-FSU, die größte Organisation im Erziehungsbereich. Letztere hat zum Streik bis zum 13. November aufgerufen, die CGT sogar bis zum Monatsende. Gefordert wird vor allem, die Klassen in Gruppen aufzuteilen und diese abwechselnd in die Schule zu schicken, um das Infektionsrisiko zu senken. Zudem sollen Mundschutz und Desinfektionsmittel verteilt werden…” Artikel von Raphaël Schmeller in der jungen Welt vom 06.11.2020
(im Abo)
- Siehe Infos und Videos auf Twitter:
- https://twitter.com/SUD_education
- #greve10novembre
- Schüler:innen Aufstand in Frankreich
(Rèsi)
- Polizeieinsatz an der Hochschule PaulValery in Paris
(BlxckMosquito)
- Auch heute wieder Proteste der Schüler*innen in #Frankreich, erste Zusammenstösse mit den Bullen (Sebastian Lotzer am 6.11.
)
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