Dossier
“Die Kompetenzen der Bundespolizei sollen deutlich erweitert werden. Das sieht ein Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium vor, der derzeit laut SPIEGEL-Informationen mit dem Justizministerium abgestimmt wird. (…) So sollen Bundespolizisten künftig nicht nur an der Grenze, auf Flughäfen, in Bahnen und auf Bahnhöfen eingesetzt werden, sondern für jedes Verkehrsmittel zuständig sein, bei dem der Verdacht besteht, dass Menschen damit geschleust werden. Wer ohne Aufenthaltserlaubnis erwischt würde, bliebe dann bis zur Abschiebung in Händen und Verantwortung der Bundespolizei. Zu den Plänen gehört außerdem die Einführung von Gesichtserkennungssystemen an 135 deutschen Bahnhöfen und 14 Verkehrsflughäfen, ein vorbeugender Gewahrsam, um die Ausreise gewaltbereiter Fußballfans oder Dschihadisten zu verhindern, sowie ein eigenes Zeugenschutzprogramm bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität…” Meldung von Andreas Ulrich vom 3. Januar 2020 bei Spiegel online
zu einem Artikel aus Spiegel Heft 2/2020, siehe dazu:
- Eckpunkte für das neue Bundespolizeigesetz: Große Koalition will Staatstrojaner auch noch für Bundespolizei
“Die Bundespolizei soll in Zukunft heimlich Geräte hacken und verschlüsselte Kommunikation ausleiten. Darauf haben sich die Regierungsfraktionen in Eckpunkten für das neue Bundespolizeigesetz geeinigt, die wir veröffentlichen. Ob auch gespeicherte Kommunikation abgehört werden darf, ist noch umstritten. (…) Das Innenministerium sagt: „Die Novellierung des Bundespolizeigesetzes findet sich nicht im Koalitionsvertrag.“ Das Ministerium von Horst Seehofer verfasste trotzdem einen Gesetzentwurf mit vielen neuen Befugnissen, darunter intelligente Videoüberwachung und biometrische Gesichtserkennungoder auch einen digitalen Gegenangriff per Hack-Back
. Die SPD-geführten Ministerien lehnten diese Vorschläge ab, seitdem liegt der Gesetzentwurf innerhalb der Bundesregierung auf Eis. Jetzt unternimmt die Große Koalition im Bundestag einen neuen Anlauf. Union und SPD haben Eckpunkte für ein Bundespolizeigesetz erarbeitet und an die Ministerien verschickt
, die sie „für eine beschleunigte Umsetzung“ als Fraktionsinitiative einbringen wollen. Zuerst berichtete die FAZ [siehe unten]. Wir veröffentlichen die Eckpunkte in Volltext
. Demnach wollen die Koalitionsfraktionen das Bundespolizeigesetz noch in dieser Legislaturperiode modernisieren. Sie haben 30 Punkte erarbeitet, die Aufgaben erweitern und Befugnisse ausweiten. Netzpolitisches Kernthema ist der Staatstrojaner. Ursprünglich nur zur Verhinderung von internationalem Terrorismus eingeführt, dürfen mittlerweile BKA, Zoll und Landespolizeien sowie bald auch alle 19 Geheimdienste heimlich Geräte hacken und Kommunikation ausleiten. Demnächst soll auch die Bundespolizei eine sogenannte „Telekommunikationsüberwachung an der Quelle“ durchführen. (…) Die Große Koalition fordert auch eine „Befugnis zur Identifizierung/Lokalisierung von Mobilfunkkarten/Handys“. (…) Der Bundesgerichtshof hatte vor zwei Jahren die „Stille SMS“ erlaubt, aber die Rechtsgrundlage präzisiert. Die Bundespolizei darf das Mittel demnach zur Strafverfolgung einsetzen, aber nicht zur Prävention. Die Koalition will nun „eine gesonderte Rechtsgrundlage schaffen“, damit sie das auch in diesen Fällen darf. Die Eckpunkte umfassen eine ganze Reihe weiterer Punkte wie Drohnen-Abwehr oder finaler Rettungsschuss, auf die sich Union und SDP geeinigt haben. Einigkeit herrscht vor allem über die großen Linien, noch nicht über alle Details. Das zeigen die widersprüchlichen Aussagen zur Quellen-TKÜ. Darüber hinaus muss dieser Entwurf der Fraktionen noch mit dem Entwurf des Innenministeriums zusammengebracht werden…” Beitrag von Andre Meister vom 01.12.2020 bei Netzpolitik
, siehe auch (zuerst gefunden):
- Einigung über neues Bundespolizeigesetz – Nach langer Blockade einigen sich die Fraktionen von Union und SPD auf Eckpunkte für ein neues Bundespolizeigesetz.
“… Die umstrittene Gesichtserkennung, die von der Bundespolizei im Rahmen eines Pilotprojekts am Berliner Bahnhof Südkreuz getestet worden war, findet sich gar nicht mehr in dem Papier. Hier sind sich Union und SPD einig, dass die Technik noch nicht reif sei. Erweitert werden die Befugnisse der Polizisten aber um die sogenannte Quellen-TKÜ, über die Sicherheitsbehörden die Kommunikation mit Messenger-Diensten auf dem Smartphone mitlesen können. Aus Sicht von CDU-Mann Frei handelt es sich dabei weniger um eine Befugniserweiterung als um eine Anpassung der Kompetenzen an die technische Umwelt. „Die Bundespolizei soll in gleichen Fällen und unter den Voraussetzungen die Nachrichten in Messenger-Diensten mitlesen dürfen, in denen sie bisher schon die Telefone abhören konnte“, sagt Frei der F.A.Z (…) Eine bittere Pille musste die Union dafür schlucken: Die Online-Durchsuchung, die sie der Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgaben gerne zugestanden hätte, wird es nicht geben. Eine andere Befugniserweiterung ist auf die Lehren aus dem Fall Anis Amri zurückzuführen. Künftig soll die Bundespolizei nach dem Willen der Parlamentarier die Strafverfolgung bei „unerlaubtem Aufenthalt“ in Deutschland auch selbst durchführen können. Bisher stellte sie die Delikte nur fest und übergab den Fall dann an die Landespolizeibehörden. (…) Die Bundespolizei soll etwa selbst Platzverweise erteilen oder Blutproben nehmen lassen können. Bisher mussten dazu immer die Landespolizeien herangezogen werden. Zudem soll sie künftig nicht nur für Vergehen, sondern auch für Verbrechen zuständig sein. Der alte Bundesgrenzschutz war nicht in erster Linie als Strafverfolgungsorgan gedacht gewesen. (…) Neu ist zudem die Zuständigkeit bei Delikten mit Drohnen oder Laserpointern. Die Union hätte sich zudem eine Regelung für den Taser-Einsatz gewünscht, doch das war mit der SPD nicht zu machen. (…) Die Eckpunkte der aktuellen Einigung sollen nun in einem Gesetzestext ausformuliert werden, entweder durch die Bundesregierung oder die Fraktionen selbst. Dann wird sich auch zeigen, wie weit die Parteispitzen hinter der Einigung stehen, die die Fraktionen ausgehandelt haben – in Kenntnis ihrer jeweiligen Führung, aber in eigener Regie.” Artikel von Alexander Haneke vom 30. November 2020 bei der FAZ online
- Einigung über neues Bundespolizeigesetz – Nach langer Blockade einigen sich die Fraktionen von Union und SPD auf Eckpunkte für ein neues Bundespolizeigesetz.
- Hackback im Bundespolizeigesetz: Seehofer wollte den digitalen Gegenangriff starten
“Werden IT-Systeme angegriffen, soll die Bundespolizei zurückhacken und im Extremfall andere Systeme lahmlegen dürfen. Das plante Horst Seehofers Innenministerium laut einem Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz. Mittlerweile ist der Vorschlag offenbar vom Tisch. Laut einer Antwort auf Nachfrage von Patrick Beuth beim Innenministerium sei der Paragraf in der Version, über die aktuell die Ressorts abstimmen nicht mehr vorhanden. Damit könnte das gleiche passiert sein, wie bei der automatisierten Gesichtserkennung: Sie ruht. Dass die lange bestehenden Pläne damit für immer vom Tisch sind, ist vermutlich nicht zu erwarten. (…) Die Bundespolizei sollte bei Angriffen auf IT-Systeme zurückhacken dürfen. Laut einem neuen Paragrafen zur „Abwehr von Cyberangriffen“ sollte die Bundespolizei Angriffe auswerten, umlenken und zurückverfolgen dürfen. Über solche defensiven Maßnahmen hinaus sollte sie bei einer gegenwärtigen Gefahr in IT-Systeme eingreifen sowie daraus „Daten erheben, übernehmen, löschen und verändern“ können. In schweren Fällen dürfte sie die Systeme sogar außer Gefecht setzen, indem sie „zu einer Überlastung, Nichtverfügbarkeit oder sonstigen Störung der Funktion“ führt. Das sollte etwa dann erlaubt sein, wenn sich der Angriff gegen kritische Infrastrukturen wie Energieversorger richtet. Alle Maßnahmen sollten nicht nur bei dem System erlaubt sein, von dem ein Angriff ausgeht, sondern auch bei Systemen, „die für den Cyberangriff verwendet werden“. Das müssen die Besitzer der Systeme nicht einmal wissen, geschweige denn wollen. (…) Spezialisten kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass Hackbacks gefährlich und ineffektiv sind. Das erklärte zuletzt das Gutachten eines Bundeswehrangehörigen für die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags. Gerade bei der Zerstörung und Ausschaltung fremder Systeme kann es zu Kollateralschäden kommen. Das Zurückhacken kann leicht eskalieren und es ist schwer, mit hundertprozentiger Sicherheit den wirklichen Gegner zu treffen. Der Abschreckungseffekt hingegen ist nur begrenzt. Sicherheitslücken, die für Hackbacks ausgenutzt werden, können genauso gut gegen einen selbst verwendet werden, nach einmaliger Nutzung verlieren sie ihren Wert. Denn spätestens dann wird der Zurückangegriffene merken, wo seine Schwachstelle liegt. Kurzum: Echte Verteidigung, also die defensive Stärkung von IT-Systemen, ist die beste Verteidigung. Zurückhacken ist keine Lösung, sondern verstärkt das Problem…” Beitrag von Anna Biselli vom 29. Januar 2020 bei Netzpolitik, siehe dazu auch:
- Reaktionen auf die Hackback-Pläne des Innenministeriums
“„Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, „Militarisierung des Cyberraums“, „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“, „Gegenreaktionen sind zu erwarten“: So lauten die ersten Reaktionen auf frühere Pläne des Innenministeriums, der Bundespolizei das Zurückhacken zu erlauben. (…) Wir tragen hier einige Reaktionen zusammen und aktualisieren den Artikel, sobald neue eintreffen…” Reaktionen zusammengestellt von Anna Biselli am 29. Januar 2020 bei Netzpolitik
- Reaktionen auf die Hackback-Pläne des Innenministeriums
- Bundespolizeigesetz: Seehofer opfert Gesichtserkennung für Staatstrojaner
“Der Innenminister verzichtet nicht nur wegen offener Fragen auf biometrische Fahndung bei der Bundespolizei. Er will andere Überwachungsbefugnisse durchbringen. Überraschend hat Bundesinnenminister Horst Seehofer einen besonders umstrittenen Passus aus seinem jüngsten Entwurf zur Reform des Bundespolizeigesetzes gestrichen, der den Beamten etwa an 135 Bahnhöfen den Einsatz von Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung erlaubt hätte. Es seien noch “einige Fragen” vor allem rund um die gesellschaftliche Akzeptanz der Fahndungstechnik offen geblieben, ließen der CSU-Politiker und das von ihm geführte Haus am Freitag durchblicken. Doch im Kern geht es bei dem Schachzug vor allem darum, den Ermittlern zumindest andere neue Überwachungsinstrumente rasch an die Hand zu geben. Dem Minister lag insbesondere daran, die geplante Novelle nach langen internen Debatten in das Abstimmungsverfahren mit den anderen Ressorts zu geben, um die Initiative zeitnah durchs Bundeskabinett und anschließend durch den Bundestag zu bringen. “Ich muss jetzt endlich mal das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eröffnen”, betonte Seehofer bei einem informellen Treffen mit Kollegen aus der EU in Zagreb. Biometrische Gesichtserkennung sei zwar “keine ganz nebensächliche Angelegenheit”. Andere Punkte des Vorhabens scheinen dem Bayern derzeit aber dringlicher. Mit dem Entwurf wolle Seehofer unter anderem die Kompetenzen der Bundespolizei ausweiten, damit diese verschlüsselte Kommunikation belauschen könne, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Ermittler sollen also den Bundestrojaner einsetzen dürfen, um die Quellen-Telekommunikationsüberwachung durchführen zu können. Dabei geht es um den Zugriff auf die laufende Kommunikation etwa über Messenger wie WhatsApp vor einer Ver- beziehungsweise nach einer Entschlüsselung auf dem Endgerät…” Artikel von Stefan Krempl vom 25.01.2020 bei heise news
- Innenministerium streicht automatisierte Gesichtserkennung “An mehr als 100 Bahn- und Flughäfen wollte Horst Seehofer biometrische Videoüberwachung einsetzen. Nach erheblichem Widerstand hat er diesen Plan nun kassiert. Die Grünen wollen verhindern, dass er es sich in Zukunft noch einmal anders überlegt, und fordern deshalb ein konsequentes Verbot. (…) Es reiche nicht aus, lediglich medial zurückzurudern. „Die Bundesregierung muss den Einsatz sogenannter ‚intelligenter Videoüberwachung‘ und automatisierter Gesichtserkennung umgehend gesetzlich ausschließen.“ Ein solches Gesetz müsse „sich sowohl auf polizeiliche wie unternehmerische Überwachung durch biometrische Gesichtserkennung öffentlicher Räume beziehen“. Die Grünen kündigen an, in der kommenden Woche eine entsprechende Bundestagsinitiative einzubringen. Fraglich bleibt, ob Horst Seehofer auch ohne Gegenwehr zurückgerudert wäre. (…) Bei der Debatte um den Einsatz automatisierter Gesichtserkennung geht es im Wesentlichen um die Frage, ob es mit einer freiheitlichen Gesellschaft vereinbar ist, wenn sich Bürger:innen nicht mehr unerkannt im öffentlichen Raum bewegen können. Vor einer Woche war bekannt geworden, dass die Europäische Kommission offenbar überlegt, den Einsatz entsprechender Software zu verbieten, zunächst für drei bis fünf Jahre. Hervor geht dies aus einem Papier, über das verschiedene Medien berichtet hatten, und das Politico inzwischen im Volltext veröffentlicht hat. (…) Es bleibt jedoch unklar, wie ernst die Bemühungen auf dieser tatsächlich gemeint sind, wenn es darum geht, die Überwachung der Bürger:innen zu beschränken. Zum einen, weil der Entwurf des Whitepapers auf den 12. Dezember datiert ist und damit womöglich nicht mehr aktuell. Zum anderen relativierte die Kommission ihren Vorschlag direkt selbst: Eine so „weitreichende Maßnahme“ könne schließlich Innovationen verhindern. Es liegt also an Bundesregierung und Bundestag, festzulegen, wie es mit der Technologie weitergeht…” Beitrag von Daniel Laufer vom 24. Januar 2020 bei Netzpolitik
- Siehe auch unser Dossier: [Gesichtserkennung] Modellversuch am Bahnhof Südkreuz in Berlin: „Das Gesicht kennen wir doch. Irgendwoher“
Der Beitrag Bundespolizeigesetz: Bundesinnenministerium will u.a. Gesichtserkennungssysteme an Bahnhöfen und Flughäfen erschien zuerst auf LabourNet Germany.