Ende 2021 schließt Ford das dritte der drei Werke, die der Konzern in Brasilien noch betreibt – die beiden anderen wurden zum 12. Januar geschlossen – wie am 11. Januar mitgeteilt wurde. Gewerkschaftlicher Widerstand wird organisiert – unter anderem mit Verweis auf die 20 Milliarden Steuergeschenke, die nur in den letzten 20 Jahren vom US-Multi eingestrichen wurden. (Wobei eine Rechnung für die ganzen Jahrzehnte vorher, insbesondere auch aus der Zeit der Militärdiktatur, noch aufzumachen wäre, wie auch eine weitere Rechnung über sonstige von Ford eingestrichene Vergünstigungen, staatliche finanzierte Strukturhilfen für neue Werke beispielsweise). Das willkürliche und einseitige Schließungsdiktat des Konzerns ist gleichzeitig auch eine Bankrott-Erklärung für eine Politik, die vor allem darauf abzielt, die sogenannten Investitionsbedingungen zu verbessern – angeblich ja (weltweit) betrieben, um Arbeitsplätze zu sichern. Dass bei der Organisierung des Widerstands die Losung der entschädigungslosen Enteignung populär ist, ist angesichts der endlosen Steuergelder-Abzocke nicht besonders überraschend… Zu Fords Diktat und dem beginnenden Widerstand eine aktuelle Materialsammlung vom 13. Januar 2021:
„Ford anuncia fim da produção no Brasil deixando milhares de trabalhadores nas ruas“ am 11. Januar 2021 bei Esquerda Diario ist ein Beitrag, der die direkten und indirekten Folgen des Schließungsdiktats für die Kolleginnen und Kollegen bei Ford, den Zulieferbetrieben und der gesamten Produktionskette in einem Überblick zusammenfasst. Alleine die Schließung des Werkes in Bahia bedeutet Erwerbslosigkeit für mindestens 10.000 Menschen…
„Protestos, vigília, reuniões: como os sindicatos reagem ao fechamento da Ford“ von Victor Ohana am 12. Januar 2021 bei Carta Capital ist ein erster Überblick über gewerkschaftliche Aktionen in den betroffenen Bundesstaaten (Bahia und Sao Paulo vor allem) als Reaktion auf das Schließungsdiktat des Ford-Konzerns. Proteste vor Werkstoren und in Innenstädten gehören ebenso dazu, wie Wachen an Toren, um Abtransporte zu verhindern – und die Versuche politischen Druck auszuüben.
„Metalúrgicos de Camaçari (BA) realizam passeata em defesa do emprego e contra encerramento abrupto das atividades da Ford no Brasil“ am 12. Januar 2021 beim Gewerkschaftsbund CTB berichtet von der Protestdemonstration der Metallgewerkschaft von Camaçari (bei Salvador in Bahia gelegen), die am Tag der überraschenden Schließung organisiert wurde und nicht nur die Beschäftigten des Ford-Werkes, sondern auch zahlreicher (betroffener) Zuliefer-Firmen mobilisierte.
„Após 100 anos Ford abandona o Brasil“ am 12. Januar 2021 beim Gewerkschaftsbund Intersindical ist ein Beitrag, in dem kurz die gesamte Bedeutung der Fordwerke für die Industrialisierung Brasiliens skizziert wird – die am 1. Mai 1919 das erste Automobilwerk des Landes eröffneten – und bereits zum „100-jährigen“ das Werk im ABC-Industriegürtel geschlossen hatten. Der brasilianische Markt soll künftig mit in Argentinien und Uruguay produzierten PKW versorgt werden. Das nun geschlossene Werk in Bahia wurde erst 1999 eröffnet – nachdem dort mehr Vergünstigungen angeboten worden waren als im damals zuerst favorisierten Bundesstaat Rio Grande do Sul. „Damals in Bahia“ – das war in der Regierungszeit von Fernando Henrique Cardoso als Präsident und noch in der Zeit der (inzwischen einigermaßen überwundenen) ewigen Clan-Herrschaft der ACM-Sippe in Bahia…
„Ford ‘foge’ do Brasil após se beneficiar, mas decisão também mostra ‘total incapacidade do governo’“ am 12. Januar 2021 bei Rede Brasil Atual präzisiert diese Geschichte der Ansiedlung von Ford in Bahia nochmals und weist auf die Kritik einiger Gewerkschaften hin, es fehle der brasilianischen Rechtsregierung ein Konzept zur weiteren Stärkung der industriellen Basis des Lands.
„BNDES cobra Ford sobre saída do Brasil; empréstimos passam de R$ 300 milhões“ von Lucas Janone am 12. Januar 2021 bei der CNN Brasil berichtet von der Erklärung der nationalen Entwicklungsbank BNDES, die von Ford Aufklärung fordert über die Verwendung zweier aktueller Kredite zur Entwicklung neuer Produkte… Wozu hinzugefügt werden muss, dass die offiziellen Begründungen des Unternehmens für die Flucht aus Brasilien eben bürokratische Probleme bei der Kreditvergabe ebenso umfassten, wie zu hohe Steuern – was angesichts der endlosen Geschenke diverser Regierungen schlicht unverschämt ist.
„Deputados criticam fechamento de fábricas da Ford no Brasil“ am 12. Januar 2021 bei Vermelho.org dokumentiert die Stellungnahmen von Abgeordneten der KP Brasiliens aus Bahia, von denen mehrere die Regierungspolitik kritisieren – aber nur einer dazu aufruft, auf jede Art und Weise den Widerstand der Betroffenen gegen die Unternehmenswillkür zu unterstützen…
„É urgente resistir! Ford quer fechar as portas no Brasil“ am 12. Januar 2021 bei Mundo Sindical dokumentiert Stellungnahme und Aufruf des Gewerkschaftsbundes CSP-Conlutas gegen die Werksschließung, worin die entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung der Werke gefordert wird und der gemeinsame gewerkschaftliche Kampf gegen jede Entlassung bei Ford und der Produktionskette
„Maíra Machado: “É urgente que a CUT prepare um plano de luta contra o fechamento da Ford”“ am 12. Januar 2021 bei Esquerda Diario ist ein Beitrag, in dem Kampfaktionen vor allem mit zwei Begründungen eingefordert werden: Erstens unter Hinweis auf die Auswirkungen der Schließung im ABC im Vorjahr, als 3.000 Kolleginnen und Kollegen auf die Straße geworfen wurden – was aber insgesamt über 20.000 Jobs kostete. Und zweitens mit der „überraschenden Bilanz“ von Ford im dritten Quartal 2020 – in der ein Gewinn von (grob) umgerechnet 400 Millionen Euro ausgewiesen wird. Statt mitten in der Epidemie weiter Erwerbslosigkeit zu produzieren, solle darauf orientiert werden, Produktionsumstellungen vorzunehmen hin zu jenen Ausrüstungen, die aktuell benötigt werden.
Für die Berichterstattung in Deutschland siehe z.B. die Beiträge am 12.01.2021 im Manager magazin online und bei tagesschau.de
- Siehe zu Ford in Brasilien zuletzt im September 2015: Der Ford-Streik in Brasilien nach neun Tagen beendet – Beschäftigungssicherungsabkommen unterzeichnet und die Berichte zuvor zum Streik gegen Entlassungen in der Rubrik Streikbewegung in der brasilianischen Autokrise 2015 (bis September 2015)
Der Beitrag „Schönen Dank für die Milliarden – und Tschüss“: Ford will alle Werke in Brasilien schließen, Widerstand wird organisiert, Losung der entschädigungslosen Enteignung populär erschien zuerst auf LabourNet Germany.